Musik als Fenster ins Mehr
Sie kennen das Pop-Duo „Rosenstolz“ nicht? Dann wird ihnen nicht auffallen, dass Habakuk mit dem Titelsong ihrer neuen CD auf die erfolgreichen Berliner (gewollt?) anspielt. In ihrem Song „Fenster zum Himmel“ – der seinerzeit glatt als Gebet hätte durchgehen können – beklagten sie einst mit assoziationsreichen Formulierungen die Unerreichbarkeit dieser Sphären. Habakuks Stammtexter Eugen Eckert geht da auf dem neuen Silberling ungleich trittfestere Wege: Egal was ist, egal was kommt – Eckert sieht das Fenster zum Himmel „weit geöffnet für dich“. Nach jedem Regen scheint die Sonne, nach jedem Schmerz kommt Trost… Der Frankfurter Pfarrer hat es da mit dem Glauben scheinbar einfacher als die Berliner Pop-Ikonen.
Thematisch geht es auf Habakuks neuer CD im Übrigen um die Frage nach Auferstehung, wenn behutsam „Vielleicht ist’s so … wie neu geboren aufzustehn“ gefragt wird. Die sperrig rockige Vertonung Jan Koslowskis mag aber nicht zu diesem tastenden Text passen. Packend hingegen seine Vertonung von „Dominoeffekt“, einem leicht angerätselten Song über Kettenreaktionen im Guten wie im Bösen. Und dann sind da u.a. noch Psalm 23, die Seligpreisungen, ein Jesaja- Zitat („Steh auf, werde Licht“) und das Buch Rut („Wo du auch hingehst“) als Inspirationsquelle der beteiligten Künstler.
Eugen Eckert ist einer der kreativsten (und oft hervorragenden) Autoren neuer Kirchenlieder. Ihm verdanken sich Lieder mit Tiefgang und manchmal origineller Theopoesie („Meine engen Grenzen“ uvm.) Wer ihn als Poeten kennt und schätzt, lernt mit dieser CD eine andere Seite an ihm kennen. Ein bisschen scheint, als sei ihm der Kragen geplatzt. Promis, Politiker, kirchliche Amtsträger („Sündenbock“) und die herrschende Ökonomie („Woran dein Herz hängt“) kriegen ihr Fett weg.
Manches wirkt etwas unbeholfen („Flieg herbei, wenn es uns nicht gut geht“), merkwürdig prosaisch („Der Markt und seine Kräfte werden’s richten“) und anderes zeigt auch schon mal Mut zur Banalität („Im Nehmen und im Geben liegt alles Lebensglück“). Neue Töne? Auch musikalisch streift Habakuk die Kirchentags-Sandalen ab. Die Frauenstimmen intonieren manchmal an der Grenze, ansonsten spielt das musikalisch bestens aufgestellte Ensemble hip auf und übt sich in Vielsprachigkeit. Statt auf einen Komponisten allein und dessen Personalstil zu setzen, bietet das sich immer wieder verjüngende Traditionsunternehmen aus der Rhein-Main-Region Rockiges von Komponist Andreas Neuwirth („Woran dein Herz hängt“), fast schon Big Band-Sound mit Bläserformation („The best way“) von Schlagzeuger Christoph Maurer und Balladenartiges von Horst Christill („Endlich habe ich gewagt“). Diese Abwechslung tut der Trackliste (14 Songs, knapp 53 Min. Gesamtspielzeit) gut. Das einfallsreiche Saxophonspiel fällt aus dem Rahmen. Den schmelzenden Streichersound („Steh auf, werde Licht“) hätte es da gar nicht gebraucht.
Lateinamerikanische Anklänge betonen Tänzerisches, sind aber rhythmisch anspruchsvoll. Tempo und Druck der Beatbetonung sind beeindruckend, auf Dauer aber auch etwas ermüdend. Der Spagat zwischen Hitfabrik (zum Zuhören) und Gemeindegesang ist spürbar. Manches wird man sich gern und wieder anhören. Im Gottesdienst singen wird man eher weniges. Ach ja, ein Lied zur Fußball-WM der Frauen im Sommer 2011 gibt es auch: „Und Sieg und Niederlage wärmt Gottes Sonnenschein“. Das reicht! Leider kein Volltreffer diesmal.
Ein Fenster zum Himmel (CD)
Autoren: Eugen Eckert (Text) / div. (Komposition)
Verlag: Strube Verlag, München, Best.Nr. VS 6623 CD
Preis: 15,- € . Eine Notenausgabe ist in Vorbereitung.
„(S)einen Stern vor Augen.“
Ein anderes Singspiel zur Weihnachtszeit
Thomas Graschtat/Wilfried Röhrig
Rigma-Musikverlag, Viernheim
– CD (inkl. Playbacks) 13,90 €
– Textheft mit Regieanweisunge, Zeichnungen und Noten, 44Seiten, 5,90€
Die drei Weisen kennt ja jedes Kind. Wirklich? Kennen wir sie? Der Theologe Thomas Graschtat hat ihre Geschichte als Theaterstück für 6-12-Jährige neu erzählt. Er holt die Sterndeuter aus der sentimentalen Verkitschung. Das Morgenland, um das es hier geht, nimmt unsere eigene Zukunft in den Blick. Gott „schlüpft in unsere Haut“ und verwandelt uns durch seine Nähe, lässt uns das Morgen-Land suchen, in dem es anders ist, besser, gerechter.
Der Ton ist – anders als sonst bei so manchem Kinder-Singspiel – mal echt (!) witzig, mal nachdenklich ohne gleich moralinsauer zu werden.
Die Darsteller (Kräfte aus der Theater-AG oder Eltern der Grundschulkinder) werden sich das mundgerecht zurecht legen und die eine oder andere kumpelige Plattheit („Mann o Mann“) weglassen. Die Substanz stimmt allemal und gibt genügend „Futter“ für eine Theatererfahrung, die für das Dreikönigsfest genau so passt wie für die Sternsingeraktion.
Wilfried Röhrig hat hierzu sechs Lieder beigesteuert, die sich in das Konzept einpassen und hier und da aus dem Rahmen des für geistliche Kinderlieder Üblichen fallen. Stimmlich benötigen sie für das ein oder andere Solo geschulte Kinderstimmen. Die Refrains aber sind schnell (genug) eingängig. Textlich hat Röhring Mut zur Poesie („lichte du unsere Stunden“) und hebt sich dadurch von Massenware ab. Der Schluss-Song versucht sich sogar an (gebändigten) Techno-Klängen. Den Kids wird’s gefallen. Probieren Sie’s aus!
Eine Empfehlung.
Und läuft und läuft und…
Liederbuch „Kreuzungen“ mittlerweile in neunter Auflage (August 2011)
Kreuzungen. Liederbuch
hg. von Martin Müller, Obersasbach
stabile Fadenheftung, strapazierfähiger PVC-Einband
Stückpreis: 11,65 € (Staffelpreise ab dem 51. Exemplar)
Direktvertrieb über http://www.kreuzungen.com
Vor knapp zehn Jahren machten sich pastorale Mitarbeiter eines Dekanates im Erzbistum Freiburg daran, ihr eigenes Liederbuch zusammenzustellen. Man wollte nicht mehr gesetzeswidrig schwarz gezogenen Fotokopien in die Bänke legen sondern den Autoren Gerechtigkeit widerfahren und ihnen ihre Honorare zukommen lassen. Vor allem aber wollte man beieinander haben, was man für die Praxis braucht. Heraus kam eine umfangreiche Mappe (421 Lieder), die auf 365 Seiten vereint, was sich zwischen 1961 („Danke“) und den 1990er Jahren bewährt hatte. Als jüngster „Ausreißer“ ist noch „Unterwegs in eine neue Welt“ dabei (Ministrantenwallfahrt 2001)und nach dem WJT von Köln fügte man in jüngere Auflagen Linßens Hymne „Venimus adorare eum“ ein. Eigentlich war aber schon lange vorher Schluss mit dem Neuen. Hier wird nicht aus den Liederquellen der jüngeren Zeit geschöpft. Kreationen der letzten 20 Jahre oder Songs der Ostbistümer sucht man vergeblich, obwohl es hier einiges Gutes gäbe. Stattdessen „kreuzt“ dieses Buch durch das Oeuvre von Janssens, Taizé und Co und auch „Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer“ wird noch mitgenommen. Musikalisch wie textlich also melierte Kost, ohne Anschluss an die 1990er Jahre. Die Ermüdung der Mitarbeiter, die keine Lust auf Neues haben, dokumentiert sich so eben auch.
Beeindruckender fällt das Ergänzungsmaterial aus: Orgelstimmen und Großformate gehören zum Portfolio dieses Produktes.
Etwas irritierend ist für Anwender, dass im Inhaltsverzeichnis Seiten- und Liednummern stehen, die nicht identisch sind. Warum braucht ein Liederbuch eigentlich Seitenzahlen?
Unschlagbar sind aber Preis, Druckbild und Verarbeitung. Und im Vergleich zu manch jüngerer Liedersammlung der vergangenen Jahre sind Format und Gewicht praxisnah. Die zwei (!) Lesebändchen passen da ins Bild.
Wenn in ein paar Jahren eine aktuelle Fortsetzung erscheint, bei der die Lieder das Attribut „neu“ wirklich verdienen, wäre das unter solch aufmerksamen Begleitumständen eine sichere Bank.
– Peter Hahnen