Hospiz-Arbeit im Spiegel neuer Lieder
Strube Verlag München, 2011
Autoren: Claudia Höly, Lothar Zenetti u.a.
Musik: Markus Schöllhorn u.a.
– CD 15,- €
– Singheft 3,-
Wer je mit Schwerkranken oder Sterbenden Umgang pflegte und auf diese CD stößt, mag denken: Was hätte ich da zu singen gehabt? Im wahren Sinn des Wortes träfe er damit zwei Wahrheiten auf einmal: Es fehl(t)en ja Lieder für diese Situationen des Bangens und Abschied Nehmens. Zum andern wird aber gerade in solchen Situationen das Klagen und Hoffen zum tastenden Gebet. Mancher dürfte also dankbar sein für Melodien und Texte, die in das Dunkel reichen und ein Licht sein mögen. Außerdem verdient dies Hospizarbeit mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung.
Der Herausforderung haben sich Texter und Musiker rund um den Mainzer Markus Schöllhorn versammelt und 16 Titel erarbeitet. Karl Kardinal Lehmann würdigt das Unterfangen eigens in einem Geleitwort.
Die Situationen, die die Lieder in den Blick nehmen, sind naturgemäß verhaltener Natur. Und dennoch werden unterschiedliche Momente in den Liedtexten beleuchtet: Von der Sterbestunde bis zum Totenlager reichen die meditierten Schlaglichter. Segen („Dass ein Engel bei dir ist“) und Zuspruch nehmen breiten Raum ein.
Schöllhorn löst das Problem, gute Texter zu finden auf einfallsreiche Weise: Er setzt nicht auf einen Autor allein sondern versammelt derer zehn. Die Namensliste reicht von Alois Albrecht bis Lothar Zenetti. Mancher Text ist bereits anderswo publiziert und von anderen vertont („Gott erbarm dich, steh uns bei“, Track 9, ist in Schöllhorns Version sogar um Längen treffender geraten als einst bei selig Peter Janssens). Vor allem aber die Songtexte von Claudia Höly scheinen neu und weisen auch besondere Qualität auf. Hölys „Aus der Stille wächst ein Wort: ja, ich bin der ICH-BIN-DA“ ist biblisch inspiriert und so behutsam wie treffsicher eingebettet („Manchmal lausche ich der Stille, dass ich wieder hören kann“), dass man ohne Kitschkredit angerührt wird. Höly schließt mit ihren Texten den Raum der Poesie auf: „Du, Herr, der du das Dunkel kennst, lass mich nicht hinterm Licht“ (Track 13).
Andere Texte machen es den Hörern da ungleich schwerer: Hermann Schulze-Berndt poltert mit rabiaten Sentenzen wie „Du würdest gerne weiterleben, doch unaufhaltsam kommt der Tod…“ (Tr. 4) durch das Sterbezimmer, dass es einem grausen kann. Da zahlt sich der Texterwechsel aus. Alexander Bayer (Tr. 5) meditiert nämlich gleich im Anschluss behutsam über den nahen Himmel („wieder spielen zu können wie ein Kind“) und greift auf, dass viele Sterbende sich ja tatsächlich zurückfühlen in längst vergangene, frühe Jahre.
Die Vielfalt dieser Texte wird durch drei Komponisten umgesetzt. Den Löwenanteil steuert Schöllhorn selber bei. Seine Vertonung von „Aus der Stille wächst ein Wort“ klingt wesentlich forscher (und rhythmusbetoner) als der sensible Text ahnen lässt. Dass Schöllhorn auch ganz anders kann, zeigt er mit Track 5 („Der Himmel“), der verhalten und textadäquat gelungen ist. Leider bringt aber an anderer Stelle manches Uptempo (z.B. Johannes Luig in Tr. 13) einen Schwung ins Thema, der befremdlich wirkt. Da ist die Showtreppe nicht weit.
Schöllhorns Ensemble „KREUZ & quer“, hervorgegangen aus der Mainzer Hochschulgemeinde, spielt in einer klassischen, vokalbetonten Besetzung (manchmal wackeln die Stimmen deutlich, z.B. Track 7), die einen gediegenen aber kompetenten Combo-Klang bietet: Gitarren, Flöte, Tasten und zurückhaltende Percussion bilden das Rückgrat des gut abgemischten Klangs. Cello, Bass bzw. Akkordeon (!) treten manchmal hinzu.
Man sollte nicht darauf spekulieren, dass diese CD Pflegekräfte und Angehörige nun zum Singen bringen wird. Die Hospizarbeit aber durch diesen ambitionierten Tonträger ins Bewusstsein zu heben und sowieso den Hörern ein sinnliches Memento mori zu verschaffen, verdient Respekt.
Zum Verfasser dieser Rezension
Dr. Peter Hahnen, Theologe, Referent für u.a. kulturelle Jugendbildung bei der „Arbeitstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz“ (afj) in Düsseldorf. Zahlreiche Publikationen zu Bibelmusicals, Kino, Spiritualität und Kunst; u.a. „Liederzünden! Theologie und Geschichte des Neuen Geistlichen Liedes“, Kevelear 2009