Rezension CD von Ruhama, „Einer trage des anderen Last“, tvd-Verlag Düsseldorf 2012, Bestell-Nummer 21206.6, Preis: 15,50 €
von Dr. Peter Hahnen
Wer sich eine neue CD des Ensembles Ruhama in das Laufwerk legt, darf Glaubenslieder von besonderer Qualität erwarten. Spätestens seit der scheidende Bundespräsident Wulff einen Ruhama-Titel („Da berühren sich Himmel und Erde“) beim Großen Zapfenstreich im März vergangenen Jahres verrichten ließ, scheint das Neue Geistliche Lied in der Mitte angekommen. Solch zweifelhafte Präsenz hat dem einstmals für Kirchenreform stehenden Genre niemand an seiner Wiege gesungen. Es kann allenfalls gemutmaßt werden, ob diese mediale Öffentlichkeit den Liedschaffenden ganz recht gewesen ist. Die Darbietung ging jedenfalls grandios am Gemeinten vorbei. Aber das kennen Urheber ja schon.
Ruhama legt große Sorgfalt auf neue Produktionen. Die 13 Tracks bieten denn auch ein paar aufwändige Arrangements (Chapeau den Könnern des Kölner Bläsersyndikats und dem Kölner Jugendchor an St. Rochus). Der Qualitätsanspruch ist auch einer der Gründe, weshalb die Neuproduktionen Ruhamas vergleichsweise selten sind. Das Konzept, das Liedprogramm diesmal einem liturgischen Ablauf zuzuordnen, beschert ein Wiederhören mit vielen älteren und teilweise alten Songs aus dem Repertoire des Ensembles. Ein bisschen scheint das so, als sei den Kreativen die Puste ausgegangen, denn die meisten Songs druckte man schon im Ruhama-Chorbuch (2009). Bei mageren 45 Minuten Gesamtspielzeit finden sich unter 13 Tracks nur zwei wirklich neue Songs (Tracks 7 und 9). Immerhin sind gleich mehrere Nummern immerhin Ersteinspielungen.
Überraschung gibt es eher an anderer Stelle: Die Texte der beiden neuen Lieder stammen statt von Thomas Laubach, der mittlerweile zum Professor erhoben wurde, vom Kölner Raymund Weber. Weber ist einer der wägenden Poeten im hierzulande immer noch knappen Portfolio befähigter Librettisten. Sein Lied „Was uns belastet“ (Tr. 9) ist ein zurückhaltendes Gebet um Gottes Segen. Es dürfte einen hervorragenden Platz zum Beispiel in Abendgebeten finden: „Was uns belastet und was uns beengt, was uns bedrückt und was uns bedrängt, nimm es, du Gott, jetzt aus unseren Händen, um es zu wandeln und um es zu wenden…“ Dieses kurze Zitat genügt schon, ahnen zu lassen, dass Weber sich dem Reimzwang stellt, sich dessen aber kunstvoll zu bedienen weiß.
Wie bei Laubach – von dem die Texte aller anderen Lieder auf dieser CD stammen – ist die Sprache in diesen Liedern nicht ein zusammengezimmertes Begleitgeräusch zu tollen Melodien sondern wirklich ausdrucksstarke Botschaft.
Bei so viel Treffsicherheit des Textes fällt in der dritten Strophe von Track 9 („Was uns belastet“) umso unangenehmer auf, dass sich nicht so recht erschließen mag, wie Ausgedachtes vom Tage ein „Zeichen sein soll“, dass wir uns nun „ganz zu dir wenden“. Was gemeint ist, findet man natürlich heraus – die Meisten werden ohnehin drüber hinwegsingen – aber handwerklich rumpelt das doch.
Jenseits aller Beckmesserei: Thomas Quast ist der prädestinierte Komponist für derlei zartes Gewebe und er trifft den richtigen Ton für die tastenden Sentenzen Raymund Webers.
Handfester kommt da das zweite ganz neue Lied daher: „Einer trage des anderen Last“ meditiert – fast eine Spur zu heiter – das bekannte Diktum aus Gal 6,2. Da tingelt die Botschaft, die zu Solidarität und Weltverantwortung auffordert, federleicht ins Ohr. Ob das die angemessene Vertonung dieses Textes ist?
Dass Ruhama sich abseits kommerziell eingängigen Sacro-Pops bewegt, erweist sich jedoch in dem gleichzeitig publizierten Werkbuch (12,70 €), das das Liedprogramm der neuen CD mit Predigtentwürfen, Gebetstexten und zahlreichen Anregungen wahlweise zu Messfeier oder Abendmahl fügt. Dass diese Musik ihren Sitz im Leben in der Ökumene hat, wird so sinnfällig vorgeführt. An dem ambitionierten Buch (120 Seiten) haben renommierte Autoren, die wahrlich etwas zu sagen haben, mitgearbeitet: Der sozial engagierte Kölner Pfarrer Franz Meurer sei da nur stellvertretend genannt. Erfreulich auch, dass es separate Bläserstimmen, eine Partitur und ein sehr preisgünstiges Liedheft für die Gemeinde gibt.
In Zeiten, da die Kirchenmusik gern fürs wohlige Sentiment genutzt wird, stellt sich Ruhama weiterhin auf eigene Weise quer.