von Peter Hahnen
Neue Tonträger von Alexander Bayer haben etwas von einer Wundertüte an sich: Man ahnt nur, was man kriegt. Den einen ist Bayer Schöpfer kraftvoller liturgischer Gesänge. Sein Projekt mit ungewöhnlichen Abendgottesdiensten zeugt seit vielen Jahren davon. Anderen ist er wichtig, weil er englischsprachigen Sacropop kreativ und fundiert ins Deutsche überträgt. Beides findet sich nun auch auf dem neuen Silberling, den Bayer im Eigenverlag (entzuecklika.de) herausgibt. Wie für Wundertüten typisch, gefällt nicht jedem alles und ist viel Bekanntes dabei. Nicht wenige dürften zurückzucken, wenn sie einem Theodorakis-Hit, der wie eine Mischung aus Nana Mouskouri und Sorbas klingt, als Neutextung begegnen (Track 4) oder „Seht ihr den Morgen“ (Track 1) als Ableger von „Morning has broken“ identifizieren. Derlei Zweitverwertung bedient sich in musikwissenschaftlicher Typologie einer Art von Parodieverfahren, das an die Anfänge des aufgepeppten Kirchenlieds in den 1960er Jahren erinnert und längst überwunden sein dürfte. Schlager sollte man nicht taufen.
Dass Bayer genug Starkes und Originäres zu bieten hat, bringen u. a. sein Nachtlied „Schlaft, ihr Kinder dieser Erde“ (auf einen wunderschönen Text von James Krüss!) und „Du bleibst bei mir“ – das Lied einer Frau am Bett der dementen Mutter – ans Licht. Bei Letzterem findet der sensible Dichter, der Bayer auch sein kann, Worte für eine an sich unbeschreibliche, vielen Hörern vertraute, Situation „Unsere Uhren spielen verrückt. Meine steht und deine geht – ganz weit zurück.“ Für diesen Liedtext allein verdiente der Künstler einen Ehrenpreis.
Bayer kann sich zudem auf eine Vielzahl brillanter Protagonisten stützen, die diesen Strauß von 14 Liedern zum Blühen bringen. Maria Sailers Mezzosopran kann Melodien einer Brise gleich vorbeiziehen lassen und wenige Minuten später eine Idee wie mit dem Brenneisen in die Seele der Hörer tätowieren. Einige Solisten geben Gastspiele, die auf die einzelnen Songs passen wie ein maßgeschneiderter Handschuh (Ingo Beckmann in L.Cohens „Hallelujah“). Die instrumentale Seite ist reichhaltig und abwechslungsreich arrangiert.
Pfarrer finden hier also keine neuen Gemeindelieder, aber wer sich gerne überraschen lässt, manche schillernde Perle. Ob Bayer sich künftig vom klassischen „neuen“ Kirchenlied abwendet und mehr und mehr deutschen Sinn-Pop fabrizieren will, wird sich weisen. Er wäre nicht der erste, der in kirchenmusikalischer Hinsicht, resigniert. Schade eigentlich. Aber vielerorts scheint man es so zu wollen.
„Zum Wiedersehen“ (CD), Preis: 19,80 €
Bezug über http://www.entzuecklika.de, Obermarchtal 2013