Magazinarchiv: 2001

Brasilien 2001 das Land des NGL?

Ostern mal anders


Angefangen hat alles im Oktober 2000, das Kolpingwerk Deutschland hatte 4 Wochen die brasilianische Band Alegria Brasil zu Gast. Die Band spielte brasilianische Folklore und Popularmusik. In ihrer Musik setzen sie sich mit Not, Armut, Umweltzerstörung aber auch Liebe, Freundschaft, Menschlichkeit und ihrer Beziehung zu Gott auseinander.

Die Umwelt-Musik-Werkstatt Ensdorf wurde angefragt, ob sie die Beschallung der Band bei 5 Auftritten übernehmen würde und wir haben es getan und noch gleich für eine CD live mitgeschnitten und produziert. Die CD ist beim Kolpingwerk Regensburg erhältlich.

Als „Belohnung‘ durften wir, meine Frau und ich, dann als nicht Kolping-Mitglieder mit zum Erwachsenencamp der Diözese Regensburg nach Guarapuava in Parana Brasilien mitfahren. (Auf eigene Kosten natürlich.)

Keine Angst – das wird hier jetzt kein Reise Bericht!
Nach unserer Ankunft in Sao Paulo hatten wir das Glück vom dortigen Kolpingpräses in die Situation der Menschen vor Ort eingeweiht zu werden. Wir fuhren zu Menschen die auf Müllhalden lebten und dort mit Recycling ihren Lebensunterhalt verdienten und 10 Minuten später fuhren wir durch ein Viertel mit Villen und parkartigen Anlagen.

Unser erster Eindruck, dass es sich in Brasilien um ein Land mit größten Gegensätzen handelt, wurde im Laufe der Reise immer wieder bestätigt.
Beim Besuch mehrer Kolpingzentren mit Kindergärten, Pfarrzentren fiel uns in den dazugehörigen Kirchen auf, dass es nirgends Orgeln gibt, dafür überall aber eine E-Gitarre und ein Mischpult stand, und dieses Phänomen war unabhängig davon, ob es eine arme oder reiche Gemeinde war.

Einer der Höhepunkte war die Prozession am Palmsonntag. Bei etwa 38 Grad im Schatten zogen wir mit echten Palmwedeln kreuz und quer durch die kleine Stadt Inaja am Rio Paranapanema und sangen aus Leibeskräften mit den Brasilianern Lieder die sehr eingängig waren und uns sofort an NGL erinnerten.

Bei einem abendlichen Gespräch mit einem deutschen Priester, der seit 30 Jahren in Brasilien lebt und arbeitet, hat er mir von der Entwicklung der brasilianischen Kirchenmusik erzählt.
In Brasilien wird nicht zwischen AGL und NGL unterschieden. Vor dem 2. Vatikanischen Konzil gab es etwa 20 meist europäische Kirchenlieder, sogar welche in Deutsch, die bei Gottesdiensten gesungen wurden.
Nach dem Konzil wurde vor allem von Pedre Zezinho begonnen, Lieder im Stile brasilianischer Popularmusik mit geistlichen brasilianischen Texten zu komponieren. Heute hat sich diese Art von Musik in ganz Brasilien als Kirchenmusik durchgesetzt.
Was uns im Gegensatz zu Deutschland auffiel, war, dass diese religiöse Musik sich für jemanden, der kein portugisisch spricht, nicht von der Popularmusik, wie sie überall zuhören ist, unterscheiden lässt.

Unser nächstes „Kirchenerlebnis‘ war der Kreuzweg am Karfreitag, bei 31 Grand im Schatten zogen wir am Freitag Morgen 3 Stunden durch die Straßen von Guarapuava und erlebten dort ein mobiles Passionsspiel mit.
Ein als Jesus verkleideter Mann trug ein schweres Holzkreuz von Station zu Station und wurde dabei von „Römern‘ begleitet. In Ermangelung einer Band – die Brasilianer sind erfinderisch – wurde ein Kassettenrekorder mit überdimensionalen Lautsprechern auf einer Bahre unter ein paar Heiligen mitgetragen. Aus diesen erklangen Weisen, die mich eher an Kinderfasching erinnerten.

Feierlicher ging es dann am Karsamstag in der Osternacht zu. Nur gab es anstatt eines klassischen Streichquartetts von Haydn einen richtig schönen, gut vorbereiteten NGL-Gottesdienst mit Osterfeuer, Lichterprozession und Taufe.

Fazit.
Die brasilianische Kirchenmusik hat zwar keine Jahrhunderte alte Tradition, aber ist dafür sehr lebendig und nah an den sonstigen Hörgewohnheiten der Menschen.
Von den ach so musikalischen Südländern haben wir nicht viel bemerkt, aber: ob sie falsch sangen oder richtig, laut und aus voller Kehle war es immer. Für uns war diese Reise ein großes Erlebnis, nicht nur im NGL-Sinn.

Stefan Huber