Vor einiger Zeit habe ich den Workshop ‚drunter & drüber‘ begonnen und wollte damit zeigen, wie einfach es ist, Chorsätze zu schreiben.
Mit der Linealmethode, etwas Harmoniewissen und ein bißchen Fantasie und Abkucken bei anderen können wir gute und interessante, peppige Chorsätze schreiben, ohne Musiktheorie studiert zu haben. Diesen Workshop will ich heute fürs erste abschließen und dabei das Thema ‚Pepp‘ nochmals aufgreifen. Im letzten Workshop habe ich einige Möglichkeiten aufgezählt, was ich mit Chorstimmen statt dem vierstimmigen Gesang noch alles machen kann. Heute nun stelle ich Euch noch ein paar Möglichkeiten vor.
Erinnern wir uns, folgendes kleine Lied hatte ich als Beispiel ausgewählt:
Mehrere Hauptmelodien
Ziemlich durcheinander gehts hierzu, denn ich habe aus den zugrundeliegenden Harmonien einfach eine weitere Melodie gemacht, die ich mit der Hauptstimme mische. Dabei nehme ich meine Fantasie und etwas Harmonielehre und entwerfe ganz neue Melodien. Im ersten Beispiel habe ich denselben Rhythmus verwendet, im zweiten Beispiel aber habe ich ganz unabhängig von der vorgegebene Melodie eine neue Melodie erfunden. Und dann habe ich die neuen Melodien einfach mit der alten Melodie gemischt.
Ich habe also jetzt mehrere Hauptstimmen statt wie bisher eine Hauptstimme und mehrere untergeordnete Bei-Stimmen. (Übrigens: so funktionieren Kanons, mehrere ganz unterschiedliche Stimmen gleichzeitig!)
Bei dem letzten Beispiel hab ich noch etwas gemacht. Ich habe in die Pause der Hauptmelodie (die letzten zwei Takte) ein längeres Lick geschrieben, also eine kurze Melodie-Phrase.
Stimmen ersetzen Soloinstrumente
Hier mache ich mir unsere gelernte Improvisationstechnik zunutze und schreibe kurze ‚Licks‘ (kleine Melodie-Teile), die ich statt mit einem Soloinstrument (Flöte, Gitarre, etc) mit den Stimmen singe. Ich verwende hierzu einmal Text aus dem Lied (wie oben), zum anderen aber (weil ich rhythmisch wesentlich besser arbeiten kann) sogenannte ‚Scat-Silben‘. Diese Silben sind aus dem Jazz-Gesang bekannt und ich habe im Anschluss einige Beispiele aufgeführt (muss ja nicht immer La-La-La sein!).
da-ba-ya-ba dwa-bi-du-ja skil-ya-go-ba
fla-ba-di-ba di-gi-li-dao wa-du-dil-ya
swa-ba-da dwui-yo-dao dwil-ya-du
sku-bi-dap duum-duu-gao wi-dwui-yao
(und so weiter, beliebige Mischungen sind natürlich möglich!)
Solche Silben kann ich auf kleinen Melodie-Teilen (meist nur 3 bis 5 Noten in Pausen der Hauptmelodie oder einfach mal dazwischen zum Auflockern einstreuen. Ich besetze diese Stimmen mit nur wenig Leuten, damit diese Licks ‚locker‘ bleiben und das Lied nicht erschlagen. Beim Singen dran denken: ‚Easy, leicht und locker‘.
Unisono
Ich will den einfachsten Chor-Effekt natürlich nicht vergessen, auch wenn es so einfach klingt (der Effekt, der dadurch entsteht, ist aber gar nicht ohne!). Die Einstimmigkeit! Gerade der Effekt des Wechsels von Sologesang und Unisono-Chorgesang kann das Gänsehaut-Feeling rüberbringen. Wichtig dabei ist, dass die Solostimme nur von einer Stimme gesungen wird, die Unisono-Chorstellen vom ganzen Chor einstimmig (alle Stimmen dieselbe Melodie).
Wenn dann auch noch Rhythmik und Dynamik ins Spiel kommen, dann wirds richtig fesselnd. Wir singen nicht längere Stellen mit bzw. nicht mit, sondern singen einzelne Noten mit, bzw. nicht mit. Und der Chor variiert auch noch die Lautstärke, also mal leise, mal kräftig. An manchen Stellen wirkt dieser Effekt pumpend, treibend und das Lied wird flott und rockig.
(Im unteren Beispiel sollte der Chor die fettgeschriebenen Silben lauter singen!)
Undsoweiter
Der ‚Undsoweiter-Effekt‘ gilt für die obige Aufzählung. Denn es gibt natürlich noch jede Menge weiterer Möglichkeiten, die Stimmen im Chor einzusetzen. Natürlich wird meist die Mehrstimmigkeit benutzt (die wir in den ersten 4 Workshops erarbeitet haben), aber diese Effekte geben, an manchen Stellen entsprechend eingesetzt, dem Lied den richtigen Pepp. Probiert es aus, lasst Eurer Fantasie freien Lauf. Man kann wenig verkehrt machen. Achtet nur einfach darauf, ein Lied nicht zu sehr zu überladen. Wie immer gilt auch hier die oberste Direktive der Musik: Weniger ist mehr!
Also dann, probiert es aus, mischt die einzelnen Effekte, hört Euch weitere Effekte von den Liedern im Radio ab, experimentiert herum. Es gibt kein richtig oder falsch (außer den Harmonieregeln). Gut ist, was gefällt. Ich wünsch Euch viel Erfolg und bin mal gespannt, wieviele der Tipps ich bei den nächsten Konzerten heraushören werde.
Das war der (vorerst) letzte Teil des Workshops ‚Drunter & Drüber – Chorsatz leichtgemacht‘. Bei Fragen, Kritik und weiteren Anregungen meldet Euch bei mir. Übrigens könnt Ihr das Skript zum Workshop (viel ausführlicher und mit mehr Beispielen) bei mir bestellen (ab Januar 2002), fragt einfach mal nach (eMail: gerhard(S)hany.de).
Servus, und viel Spass und Erfolg mit Eurer Musik.
Workshop von Gerhard Hany. http://www.hany.de
Links zu fortführenden MeV-Artikeln zum Thema: ‚drunter & drüber‘
Ausgabe 2/99:
Chorsatz leichtgemacht
Ausgabe 3/99:
Harmonie und Theorie
Ausgabe 1/00:
Grundtöne & Leittöne
Ausgabe 3/00:
Improvisieren
Ausgabe 1/01:
Und jetzt mit Pepp!