Magazinarchiv: 2007

Der Friedensgruß geht wandern

Liturgiewerkstatt

In einer Art „Liturgiewerkstatt“ wagt Alexander Bayer eine Prognose und wirbt dafür, sich auf die Entwicklung zu freuen.

Der Friedensgruß geht wandern

Vorausschicken möchte ich, dass ich weder den Auftrag noch die Qualifikation habe, etwas über liturgische Entwicklungen von mir zu geben.
Wenn ich trotzdem in diesem Feld Erkenntnisse er-taste, dann als interessierter Beobachter, der die dargestellte “Problematik“ aus eigener Praxis kennt und ahnt, dass die Ergebnisse des Diskussionsprozesses uns NGL-er erreichen werden.

BEOBACHTUNG: IM GESPRÄCH mit Liturgiewissenschaftler Rudolf Pacik erfahre ich, dass der ganze Textblock zwischen dem Amen des Hochgebetes und der Kommunionausteilung schon seit den 70er Jahren auch in den höheren Liturgie-verantwortlichen Etagen als überladen empfunden wird.
Beobachtung: in der lutherischen Agenda (des Abendmahls) geht man vom „Hochgebet“ sofort zum Brechen des Brotes über, unter dem begleitenden Gesang „Agnus Dei“. Das Vater-Unser wird in vielen evang. Gottesdiensten als Abschluss eines großen Gebetes, oft den katholischen Fürbitten ähnlich, gebetet.
Auch in katholischen Wortgottesdiensten erlebe ich, dass das Vater-Unser-Gebet als Abschluss der Fürbitten gebetet wird.

Beobachtung: In der frühen Liturgie gab es zwischen dem Verkündigungsteil und der Eucharistie eine kurze Zäsur. Die Katechumenen, die noch nicht zur Kommunion zugelassen waren, verlassen nach Ende des Wortgottesdienstes den Gottesdienstraum.
Auch das spiegelt sich in der Praxis einiger evangelischer Gottesdienste (in Württemberg beobachtet) noch.

Ich fasse zusammen: Der Teil ab dem abschließenden Amen des Hochgebets bis zur Kommunionausteilung einschließlich des Friedensgrußes begegnet
uns als eine moderne Form der Liturgie.

Beobachtung: einige Liturgen „stört“ der Friedensgruß an seiner zur Zeit üblichen Position. Er bekommt besonders in Gottesdiensten mit NGL großes zeitliches und musikalisches Gewicht und wirkt wie eine Sperre im Fluss der Eucharistiefeier. Das Hochgebet und die Kommunionspendung fallen auseinander, obwohl sie eng zusammengehören. So sieht es offensichtlich auch der Papst.

Selber und besonders krass habe ich das bei modernen Erstkommunionfeiern erlebt, wo sich die ganze Dramaturgie im Friedensgruß entlud – und die Kinder beim eigentlichen Kommunionempfang innerlich nicht mehr anwesend waren. Hilfreich war es da, erst nochmals das Krenzer/Janssens-Lied „Jesus schenkt Brot zu dem Fest“ singen zu lassen, das die Kinder wieder zum Thema zurückführte.
Im Pastoralteam der betreffenden Kirchengemeinde hatten wir dann den Impuls aufgenommen, den Friedensgruß im Anschluss an den Bußakt zu wünschen.
Als mit Gott Versöhnte können wir einander Frieden bringen.

PAPST BENEDIKT SCHREIBT nun im neuesten Dokument:
„Sacramentum Caritatis“ (März 2007) unter Fußnote 150: „Unter Berücksichtigung der alten und ehrwürdigen Gepflogenheiten und der von den Synodenvätern ausgedrücken Wünsche habe ich die zuständigen Dikasterien aufgefordert, die Möglichkeit zu untersuchen, den Friedensgruß auf einen anderen Zeitpunkt zu verlegen, zum Beispiel vor den Gabengang.
Eine solche Wahl wäre zudem mit Sicherheit ein bedeutunsvoller Hinweis auf die Mahnung des Herrn, dass jedem Opfer notwendig die Versöhnung vorausgehen muss (vgl. Mt 5,23 f.) …“
Ich wage also folgende Prognose über ausstehende Umstellungen innerhalb der Liturige, die auch für die NGL-er eine interessante Perspektive bietet.
Weil der Teil der zur inneren Vorbereitung des Kommunionempfanges (Vater unser, Embolismus, Friedensgruß, Agnus Dei, „Herr, ich bin nicht würdig“, Kommunionvers) verschlankt werden soll, wandert das Vater unser und der Friedensgruß in den Wortgottesdienst, wahrscheinlich an die Stelle nach den Fürbitten.

Der anschließende Übergang zur Eucharistiefeier, gemeinhin als „Sammlung“ bezeichnet, könnte künftig (wieder oder stärker) folgende Elemente enthalten:
Der Auszug der Katechumenen, bzw. derer, halten: Der Auszug der Katechumenen, bzw. derer die an der Eucharistiefeier nicht teilnehmen (z.B. auch die Kinder, die mit dem Kindergottesdienstteam an anderer Stelle weiterfeiern); das virtuose Orgelspiel des virtuosen Orgelspielers zum Zwecke der Erbauung, Sammlung, Überbrückung … – oder ein Instrumentalstück der Band zum selben Zweck.

BITTE BEACHTEN: das ist nur eine Prognose! Ich stelle sie hier in die Öffentlichkeit, weil ich die NGLMusizierenden jetzt schon sensibilisieren möchte, die Chancen dieser Entwicklung ins Auge zu fassen. Wandert der Friedensgruß in den Wortgottesdienst, dann wandert er auch in den Wortgottesdienst ohne Eucharistiefeier – und das kann uns, die wir viele Friedensgrußlieder im Repertoire haben, nur recht sein. Dieser „Vorgang“ wäre in meinen Augen eine Aufwertung, denn der Friedensgruß wäre weniger Störfaktor, der unterbricht und den Zeitdruck des Zelebranten vergrößert.
Der Friedensgruß an neuer Stelle wird vielleicht zu einem neuen verbindenden Höhepunkt.

Ich bitte um Leserbriefe, welche positiven Erfahrungen und Chancen ihr mit dem Friedensgruß verbindet.