Magazinarchiv: 2008

Gemeinsam den Aufbruch wagen

Titelthema


Das Neue Geistliche Lied und die „Werkstatt NGL“ in der Erzdiözese Bamberg

Gemeinsam den Aufbruch wagen“ – der Text eines Kanons von Johannes Klehr und Stefan Hoffmann wurde für den Start des Pastoralgesprächs mit haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Erzdiözese Ende der 1990er Jahre geschrieben.
Und darum ging es in der musikalischen (Jugend-) Arbeit im Erzbistum Bamberg schon seit etwa 60 Jahren – mit dem Ziel, immer wieder neu mit aktueller, moderner Musik v. a. junge, oft auch kirchenferne Menschen anzusprechen und sie auf diesem Weg für das Evangelium und die Liturgie zu interessieren, vielleicht sogar zu begeistern.

Die Anfänge
[Insofern passt auch der Hinweis auf den Neuanfang einer Singbewegung – mit alten und bald auch neuen geistlichen Liedern von Hans Kulla, dem Singemeister der Kath. Jugend – auf der neuen Jugendburg Feuerstein bei Ebermannstadt ab 1947 in den Rahmen dieses Artikels.]
Und von da an ging es kontinuierlich weiter – bis zu einer weiteren wegweisenden Persönlichkeit für die Geschichte des NGL im engeren Sinn: zum damaligen Diözesanjugendseelsorger Alois Albrecht, der 1971 eine Jugendsynode auf Burg Feuerstein in Vorbereitung der großen Würzburger Synode der deutschen Bistümer initiierte. In dieser Zeit nahm das Interesse an Liedern auch im gottesdienstlichen Bereich zu, die gerade die junge Generation und ihre Welt, d.h. auch ihren Musikgeschmack und ihre Sprache, berücksichtigten. Auch Albrecht war durch seine liturgische Experimentierfreudigkeit bekannt geworden und spielte als Textautor neuer Lieder seit diesen Jahren auf bundesdeutscher Ebene eine bedeutende Rolle. Im Jahr 1970 zu einer Vorbereitungsgruppe für das zweite deutsche Delegiertentreffen des Jugendverbandes KJG 1972 in Fulda berufen, schrieb er geistliche Texte für zwei pfingstliche Gottesdienste, d.h. auch Liedtexte und eine Fassung für den Kanon, also das Hochgebet, die von Peter Janssens vertont und 1971 unter dem Titel „Unser Leben sei ein Fest“ veröffentlicht wurden. Einige dieser Lieder wie „Die Sache Jesu braucht Begeisterte“ finden konzipierte und textete (das Schlusslied darin: „Kleines Senfkorn Hoffnung“ in der Vertonung von Ludger Edelkötter) – über 90 Jugendliche aus dem Bistum hatten unter Leitung von Werner Müller und Wolfgang Kierstein das szenische Spiel übernommen. Außerdem setzte er sich 1980 im Rahmen der deutschen Misereor-Aktion textlich mit dem damaligen Hungertuchmotiv (Nikolaus von der Flüe) auseinander, woraus u.a. das Lied „Jetzt ist die Zeit“ (Musik: Ludger Edelkötter; im Bamberger GLDiözesananhang
enthalten) hervorging.(3)

Burg Feuerstein
In diese Zeit fiel nun auch der Neuanfang mit regelmäßiger musikalischer Arbeit auf Burg Feuerstein, wo man ja von Anfang an zeitgemäße Musik in einer lebendigen Liturgie pflegte. Angesprochen bei den Osterkursen im Jahr 1982, engagierten sich seitdem Johannes Klehr und Anton Schwarzmann ehrenamtlich auf der Burg. 1984 schrieben sie erstmals eine „Wochenendwerkstatt Lieder und Musik im Gottesdienst“ aus, die so gut angenommen wurde, dass sich daraus eine Tradition von musikalischen Workshops für Jugendliche aus dem ganzen Erzbistum entwickelte. Ab 1986 gestaltete eine feste „Osterband“ unter ihrer Leitung die Liturgie der Kar- und Ostertage, aus deren Arbeit heraus die „Feuerstein-Messe“ 1991 und die CD „Feuersteine“ 1993 entstanden; zusammen mit der Nachfolgeband unter Leitung von Barbara Jobst (verh. Großmann) und Tobias Wenkemann spielte man 1996 die CD „Spielräume“ ein. Inzwischen in der vierten Nachfolgebesetzung, zur Zeit unter Leitung von Florian Donaubauer, entstehen aus der Arbeit der „Osterbands“ immer wieder neue Lieder für den Gottesdienst; deren raffinierte Arrangements, verbunden mit einem Gefühl für Liturgie und Gemeinde, waren und sind weithin bekannt.

Cantate
Die für den sonntäglichen Gottesdienst zusammengetragenen Liedblätter auf der Burg mündeten 1988 schließlich in das interne Liederbuch „Vom Leben singen mit Leidenschaft“, aus dem 1992 das diözesane Liederbuch „Cantate“ hervorging, eine von Generalvikar Albrecht angeregte und unterstützte Gemeinschaftsaktion von zunächst einem Liturgieteam der Nürnberger Pfarrei St. Bonifaz und dann v.a. dem Team um Klehr, Schwarzmann, Stefan Hoffmann und Tom Schneider zusammen mit dem pädagogisch-theologischen Team der Burg. Dass sich das Buch in der inzwischen 5. Auflage bereits an die 20.000 Mal in ganz Deutschland verkauft hat, liegt nicht zuletzt an der professionellen Gestaltung und dem Konzept, die Lieder nach den Bestandteilen des Gottesdienstes und den Artikeln des Glaubensbekenntnisses anzuordnen. Im Juli 2007 (also zum zentralen Fest des 1000-jährigen Bistumsjubiläums, dem Bamberger Heinrichsfest) erschien eine gründlich überarbeitete Neuauflage unter dem Titel „Cantate II“, die der ständigen Weiterentwicklung des NGL Rechnung trägt – unter Beibehaltung eines Grundbestandes von ca. 120 bewährten Liedern aus dem Vorgängerband und der Aufnahme von etwa 240 neuen Liedern unterschiedlicher Stile aus den letzten 15 Jahren, darunter auch ganz aktuelle Lieder aus dem eigenen Bistum. 1990 begann mit dem ersten „Festival religiöser Lieder“ auf Burg Feuerstein eine weitere Erfolgsgeschichte, die seitdem alljährlich Ende Oktober, längst auch hier in der Nachfolgegeneration, ihre Fortsetzung findet: ein Workshop-Wochenende mit NGL (angeboten werden Kurse für Gesang und verschiedene Instrumente, Band-Arrangement und Tontechnik sowie Liturgie), erweitert durch Konzerte, Workshop-Präsentationen und einen lebendigen, von den Teilnehmern gestalteten Gottesdienst; die ganze (heute jeweils stets überbuchte) Burg voll von Musik!

Werkstatt NGL
Das Erzbischöfliche Jugendamt und das Team von Burg Feuerstein haben im Zuge der Arbeit an „Cantate“ zusammen mit Generalvikar Albrecht erreichen können, dass 1992 die „Werkstatt NGL“ gegründet wurde – mit den Gymnasiallehrern Klehr und
Schwarzmann als Honorarkräfte und einem Kuratorium unter Vorsitz des Generalvikars, das die Arbeit reflektierte und plante sowie den Einsatz des (relativ bescheidenen) Etats verwaltete. Damit konnte die Arbeit mit dem NGL, die sich wachsender Nachfrage erfreute, ausgebaut werden; Besuche in Gemeinden und vermehrt Kurse am Feuerstein waren jetzt ebenso möglich wie die Herausgabe von Arrangementmaterial (bei Verlag Strube, München) und die musikalische Mitgestaltung zentraler Gottesdienste im Erzbistum.4 Seit 1992 war außerdem der Erlanger Regionalkantor Erich Staab als Referent im Bereich des NGL eingesetzt und gestaltete Kinderkurse und Chor-Workshops beim Festival auf der Burg. Damit brachte auch das Amt für Kirchenmusik seine Anerkennung der Vielfalt musikalischer Möglichkeiten in der Liturgie zum Ausdruck, was besonders auch in der Herausgabe von einfallsreichen und dennoch machbaren Orgelsätzen zu „Cantate“ (1997 und 1999) durch Staab deutlich wurde.
Mit dem Anstoß durch das Pastoralgespräch der Erzdiözese unter Erzbischof Karl Braun wurde schließlich im September 2000 eine neue halbe hauptamtliche Stelle eines Diözesanreferenten für das NGL geschaffen (später auch mit einer Ein-Drittel-Sekretariatsstelle ausgestattet), die in der Hauptabteilung Liturgie im Ordinariat angesiedelt wurde, ihren Dienstsitz aber im Nürnberger Haus der Stadtkirche, Vordere Sterngasse 1, bekam. Nach langem Suchen in den Reihen der Kirchenmusiker wurde die Referentenstelle an den Gymnasiallehrer und Musiker Bernd Hackl aus der Nürnberger Pfarrei St. Bonifaz vergeben, der in den Jahren zuvor durch Projektarbeit mit NGL (Workshops/Gottesdienste) auch überregional bekannt geworden war. Durch die Schaffung einer festen Stelle (und später einer unterstützenden 1/3-Stelle einer NGL-Sekretärin) konnte nochmals das Aufgabenspektrum erweitert werden: das Kursangebot z.B. erstreckt sich nun auf die gesamte Erzdiözese – mit regionalen Kursen von Rothenburg über Nürnberg und Bamberg bis in den Frankenwald – und das Fortbildungsangebot für Organisten, Lehrkräfte und in der Pastoral Tätige nimmt weiter zu. Dazu wird seit 2003 auch alljährlich ein Arrangementheft mit neuen Liedern zum Festival auf der Burg herausgegeben, werden deutschlandweite Wettbewerbe für Komponisten und Texter (2002: „Gottesbegegnungen“; 2006: „Unter’m Sternenmantel“ sowie 2004 ein diözesaner Band- und Chorwettbewerb) ausgelobt. Der Diözesanreferent, ständiges Mitglied der Kantorenkonferenz im Bamberger
Amt für Kirchenmusik, hält außerdem auch Kontakt zur bundesweiten, ökumenischen Kirchenmusikzene (u.a. über die NGL-Jahrestagung der afj Düsseldorf, die im Februar 2008 in Vierzehnheiligen in der Nähe von Bamberg stattfindet) und kooperiert u.a. mit dem AK NGL der Diözese Würzburg und mit dem Evangelischen Popularmusikverband in Bayern, was sich auch in der Beteiligung an den Katholiken- und Kirchentagen der letzten Jahre zeigte. Natürlich wirkte die „Werkstatt NGL“ auch beim Weltjugendtag 2005 im Kölner Raum bei verschiedenen Großveranstaltungen mit. Im diözesanen AK NGL treffen sich aktive Musiker und Komponisten/Texter aus dem Bistum, um im Austausch miteinander Ideen zu sammeln und so immer wieder neu Impulse für die Fortentwicklung des NGL in und außerhalb der Erzdiözese zu geben. Hackl kümmert sich auch um das neue, verjüngte Referententeam von derzeit ca. 40 kirchlich engagierten Musikern, mit denen die das Jahr über anfallenden Kurse und das große Festival ebenso wie die Einsätze in Projektbands bei besonderen Gottesdiensten und Großveranstaltungen durchgeführt werden.

Bamberger Kreative
Einige ehrenamtliche Mitarbeiter der „Werkstatt NGL“ treten auch als Komponisten und Texter neuer Lieder, die inzwischen weit über den Bamberger Wirkungsbereich hinaus bekannt wurden, hervor, so z.B. Barbara Großmann aus Ebermannstadt (z.B. mit dem Lied „Gemeinde sein“), Thomas Höhn aus Lichtenfels/Bamberg (z.B. mit „Du stellst meine Füße“) und in letzter Zeit vor allem der Gymnasialreferendar Hannes Keßler aus Erlangen (z.B. mit „Heilig bist du“) und der Musiker Daniel Schmidt aus Fürth, aus deren Feder, auch in Team-Arbeit, schon viele mitreißende Lieder im aktuellen Sound der Zeit hervorgingen (u.a. die Messreihe „Wege ins Leben“ im Latin-Stil, darin z.B. auch der Rap „Herr, deine Güte“, oder das Bamberger Weltjugendtagslied „Here we are“). Die Letztgenannten waren auch die Sieger des letzten Kompositionswettbewerbs der „Werkstatt NGL“ zum 1000-jährigen Bistumsjubiläum in beiden Kategorien (beide beim Jubiläumslied; Keßler auch bei der Kategorie Ordinariums-Gesänge); von ihnen stammt das offizielle Mottolied zum Jubiläum „Unter Gottes Sternenmantel“ (das jetzt bei der „Werkstatt NGL“ auch auf CD erhältlich ist – zusammen
mit den anderen prämierten Wettbewerbsbeiträgen).
Beide betreuen derzeit auch den „Feuersteinchor“, ein aus den Chor-Workshops von Hackl beim Festival auf Burg Feuerstein hervorgegangenes dynamisches Ensemble engagierter Sängerinnen und Sänger aus dem Diözesangebiet, das mit seiner CD „Hear, we are“ 2006 eindrucksvoll bewies, dass es derzeit zur Spitze in der deutschen Jugendchorszene zu zählen ist.

Gutes Zusammenspiel
Auch im Jahr des Bistumsjubiläums (2007) steckt also das NGL in der Erzdiözese Bamberg keineswegs in der Krise, sondern erfreut sich weiter eines regen Interesses von Jung wie längst auch Alt. Etwa 150 bis 200 aktive NGL-Bands und -Chöre in der Diözese und mehrere Tausend Teilnehmer an den Kursen und Veranstaltungen der „Werkstatt NGL“ belegen dies eindrucksvoll. Dass eine so vielfältige und fruchtbare Arbeit möglich ist, liegt nicht zuletzt auch an der vollständigen Unterstützung des Diözesanreferenten und der „Werkstatt NGL“ durch Werner Pees, den bisherigen diözesanen Kirchenmusikdirektor, sowie die Diözesanleitung, v.a. Erzbischof Dr. Ludwig Schick und die Generalvikare Alois Albrecht und Georg Kestel. Im Jubiläumsjahr waren Bands und Chöre aus der ganzen Erzdiözese sowie Projektgruppen der „Werkstatt NGL“ unter Leitung von Hackl beim Heinrichsfest im Juli (hier gab es u.a. ein eigenes NGL-Zentrum), beim Fest der Weltkirche im September und beim diözesanen Kirchenmusiktag im Oktober präsent und stellten wieder eine breite Palette ganz neuer, zeitgemäßer, begeisternder wie meditativer NGLs vor. Das NGL ist längst zu einem anerkannten und etablierten Teil der Kirchenmusik geworden; damit es aber dennoch seinen Bezug zur Jugendkultur nicht verliert und weiterhin ein Lied des Aufbruchs sein kann, muss es immer wieder am Puls der Zeit bleiben – nova musica semper reformanda!

Bernd Hackl,
NGL-Diözesanreferent

(1) Peter Hahnens Dissertation, Interview mit Alois Albrecht, S. 360; vgl. auch Alois Albrecht, „Als Diözesanjugendseelsorger in Bamberg“, in „Spuren auf unserem Weg“, S. 169 f.
(2) Vgl. die damals erschienene gleichnamige LP (musikalische Ausführung: die „Info-Band“ des Bamberger Ottonianums)
(3) Vgl. das Vorwort zu Albrechts Werksammlung „Unser Leben sei ein Fest“ (Band II), das dem Autor als Manuskript vorliegt.
(4) Vgl. zur Arbeit von Klehr und Schwarzmann den Aufsatz von Schwarzmann („Ein Halleluja für dich, unsern Gott …?!“) in der Festschrift zum Burgjubiläum 1996, S. 38-41

Neueste Informationen zur laufenden Arbeit der „Werkstatt NGL“ im Internet (dort ist auch im NGL-Tipp das Mottolied zum Bistumsjubiläum zu finden) oder im NGL-Jahresprospekt, der ab Januar bei der „Werkstatt NGL“ in Nürnberg, Tel. 0911/24449-464, angefordert werden kann!
http://www.ngl-bamberg.de


Erscheinungs-Informationen

Magazin-Ausgabe: Die Bamberger Szene auf Seite 3

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