Magazinarchiv: 1996

Neue Wege gehen und den Leidgeprüften helfen

... das andere Adventssingen, 03.12.1995, Amberg

Wo Menschen (ausgetretene) Wege verlassen und bereit sind, neue (unkonventionelle und auch unbequeme) zu gehen, ‚da berühren sich Himmel und Erde, daß Frieden werde unter uns‘. Um Advent, Weihnachten, das Fest der Geburt Christi zu verstehen, genügt es eben nicht, nachdem man der Geschenkeschwemme beim Auspacken Herr geworden ist, nur mit verklärtem Blick süßlich ins Kripperl zu lächeln. Nicht erwarten, daß wir viel kriegen, sondern schauen, wo Leid-geprüfte was von uns brauchen – ob ideell oder materiell-, und dann rasch helfen, auf die Menschen zugehen, darauf kommt es an. So die Botschaft des ‚anderen Adventssingens‘ am Sonntag, den 3. Dezember 1995 in der Pfarrkirche St. Michael (in Amberg).
‚Das andere Adventssingen‘ – wozu? Brauchen wir sowas? Durchaus! Die ‚konventionellen‘ Adventssingen haben allerdings selbstverständlich ihre Berechtigung. Denn mit ihrem Blick auf den menschgewordenen Gottessohn in der Krippe mit seiner frohen Erlösungsbotschaft geben sie Kunde, daß die Welt vielen Unkenrufen und vielleicht auch persönlichen Erfahrungen der Menschen zum Trotz nicht verloren ist. Diese Betrachtungen lassen innehalten im hektischen Treiben, geben Trost und weisen auch darauf hin, daß man dem Weltlichen nicht so viel Raum im Leben geben soll. Sie mahnen zur Selbstbescheidung, indem sie an die Bescheidenheit, ja Armut des Kindes im Stall, das Gott war, erinnern.

Krippenfigur mit Zertifikat

‚Das andere Adventssingen‘ weiß auch, daß Weihnachten heutzutage vielfach nur das Fest des Schenkens ist, bei dem uns nichts zu teuer ist. Denn die Krippenfigur muß mindestens aus Oberammergau kommen, handgeschnitzt sein und ein Echtheitszertifikat haben. Wenn wir schon was ‚für soziale Zwecke‘ geben, ben schleicht uns oft der Zweifel, unser großes, edles Opfer könnte veruntreut werden. Und Geschenke und ein gutes Essen an Weihnachten dürfen eben nicht fehlen. Doch wenn dann der Blick zur Krippe geht, dringt er nicht durch. Wir sehen wie in einem Spiegel nur das eigene erwartungshungrige, gierige Gesicht und müssen erkennen, daß dieser Spiegel nur zu durchdringen ist, wenn die Augen nicht direkt, sondern auf dem Umweg über das Herz zur Krippe schauen.
Und auch dann erwartet einen nicht das ’süße kleine Jesulein‘, sondern eher der erwachsene Jesus, der sich seinerseits uneigennützig aller Schwachen, Bedrückten, Unterdrückten, Entrechteten etc. angenommen hat.
Ein Jesus, der keine Leute braucht, die sehnsüchtig für sich Wohltaten erwarten, sondern solche, die bereit sind, diejenigen zu unterstützen, die – in menschenunwürdiger Situation lebend – zu Recht auf Hilfe, Verständnis, Abbau von Haß, Gewalt, Krieg hoffen. Durchaus darf uns der Stern von Bethlehem zum Jesukind geleiten, aber danach muß man auch selbst bereit sein, die zu hören, die an die Tür klopfen, sie hereinzulassen, ihnen ein ‚Schalom‘ (Frieden) zuzurufen, ihnen zu helfen. Jeder soll das Licht in sich sehen, das ihm Kraft zum Neubeginn im Geiste der Hilfsbereitschaft gibt, dann ‚berühren sich Himmel und Erde, daß Friede unter uns werde‘.
‚Musica e vita‘, der Verein zur Förderung des neuen geistlichen Liedes, hatte ‚das andere Adventssingen‘ initiiert. Die Gruppen ‚eigentlich‘ aus Neunburg v.W. und ‚Sacroton‘ aus Regensburg, der Gospelchor von Hl. Dreifaltigkeit und der Kinderchor von St. Michael (Amberg) sorgten für eine vollkommen überzeugende musikalische und gesangliche Umsetzung. Jugendpflegerin Sabine Kreiner sprach die verbindenden Texte. Gut 500 Zuhörer sparten am Ende nicht mit verdientem Beifall und bildeten beim gemeinsam gesungenen Schlußlied eine mit Händen verbundene Kette hilfsbereiter Menschen.

Eigenwillig und aufrütteind

Es war eine eigenwillige, ungewohnte und aufrüttelnde Adventsfeier, bei der all dem Kitsch rund um Weihnachten eine klare Abfuhr erteilt wurde. Es war obendrein eine Veranstaltung, bei der sogleich Worte in Taten umgesetzt wurden. Eintritt wurde nicht erhoben, aber Spenden wurden gesammelt, und die gehen in Verbindung mit einem Caritashilfsprogramm nach Kroatien und Bosnien. ‚Da berühren sich Himmel und Erde …‘


Was die Zeitung noch nicht gewußt hat: Es konnten fast DM 1.200 auf das Konto der Kroatischen Mission weitergeleitet werden. DANKE!