Gedanken zu einer Liturgie für Paare
Bevor „traumhaft“ zu Trauma wird …
Von MeV-Mitglied Norbert M. Becker
Ausnahmefall „Ehe“
Das Sakrament der Ehe bildet im Kanon der Sakramente eine echte Ausnahme: nicht ein Priester oder ein Beauftragter der Kirche spendet dieses Sakrament, sondern die Eheleute tun es selbst! Daran gibt es nichts zu rütteln.
Diese Einsicht muss unbedingt Folgen haben:
Wenn ich das als Seelsorger ernst nehme, dann wird mir sehr schnell klar, dass ich eigentlich Gast bin in diesem heiligen Geschehen, zwar mit einer Hauptrolle bedacht, aber doch eher bescheiden und zurückhaltend.
Das Paar, das um den Segen der Kirche bittet, steht im Mittelpunkt der Handlung, und ich darf die beiden Menschen ein Stück weit begleiten und segnen.
Das ist der tiefe Grund, warum ich mir die Fragen, Ideen, Wünsche und Vorstellungen eines Paares für die Feier der Trauung immer mit sehr viel Wohlwollen und Respekt anhören werde, auch wenn sie mir noch so eigenartig erscheinen.
In der Praxis geht es immer darum, eine möglichst stimmige Form der Liturgie vorzubereiten, die das Ja-Wort der beiden jungen Leute zu einer wirklichen Feier, einem Fest des Lebens werden läßt.
Die „Kunden“
Da viele junge Leute immer weniger Erfahrung mit gefeierter Liturgie haben, bringen sie manchmal auch Ideen und Vorstellungen mit in ein Vorbereitungsgespräch, die auf den ersten Blick möglicherweise seltsam anmuten.
Eine gute Ausgangssituation ist ein Paar, das um seine Defizite weiss und viele Fragen mitbringt: ob man so etwas machen kann oder darf; ob dies oder jenes möglich ist oder wäre … ?
Noch besser ist es, wenn die jungen Menschen Gottesdiensterfahrung und sich schon Einiges überlegt haben: z.B. welche Lesungstexte oder Gesänge in der Liturgie vorkommen sollen, wer aus Freundeskreis oder Familie einen Dienst übernehmen könnte
…
Schwieriger wird es, wenn die Leute eigentlich keine Ahnung haben von unseren Gottesdiensten und doch schon alles wissen und auch geplant oder verpflichtet haben: die Band oder den Gospelchor, die Fotografen und die Gärtnerei; alles ist sozusagen schon geregelt und bestellt, und dann wird zuguterletzt der Vertreter der Kirche hinzugezogen und mit dem fertigen „Programm“ überfallen…
Das Erstaunlichste war für mich einmal die Frage, ob denn diese Ringe unbedingt notwendig seien; sie
hätten so etwas „Bindendes“?
Da helfen dann aber nicht strikte Ablehnung oder gar der Hinweis auf Gebote oder Verbote, sondern nur Erklärungen und Gespräche. Und dafür sollten sich beide Seiten Zeit nehmen: der Diakon oder Priester und das Paar.
Was gelingen sollte:
Ohne den Anspruch auf die Vollständigkeit meiner eigenen Ansätze und Vorstellungen zu erheben, folgendes ist mir in einer Liturgie für ein Hochzeitspaar wichtig:
Das Brautpaar soll sich im Gottesdienst wohlfühlen können und sich ein Leben lang gerne daran erinnern!
Die Angehörigen, Familien und Freunde des Paares sollen sich als betende und mitfeiernde Gemeinde erleben!
Menschen, die der Kirche fern stehen, sollen sich als Gäste willkommen wissen, das auch spüren und beschenkt nach Hause gehen können!
Keiner soll sich langweilen!
Der Segen Gottes für den gemeinsamen Lebensweg des Paares soll erfahrbar werden in den Gesten, der Sprache, der Musik und dem Gesang!
Die Kirche soll als Raum des Gebetes und der Nähe Gottes erlebt werden!
Jegliches Theater soll vermieden werden!
Keine Frage: immer wird das alles nicht gelingen!
Aber die Richtung ist mir wichtig, und die Erfahrung zeigt, dass gerade durch die Auswahl der Texte und Lieder im Hinblick auf eine wohltuende Feier viel Boden gewonnen wird.
Musik
Etwas ganz Wichtiges für die Gestaltung des Gottesdienstes sind die Musik und der Gesang. Natürlich kann ich es mir leicht machen und auf dem traditionellen Liederschatz des „Gotteslob“ beharren.
Das schließt aber von vornherein aus, dass besondere Wünsche Beachtung finden. Es wird immer Musikstücke und Lieder geben, die Menschen besonders anrühren und bewegen, und wenn sie sich Gedanken machen zu ihrem grossen Fest, dann wird auch die ein oder andere Musik dazu gehören.
Die Zeiten ändern sich: ob ein feierlich vorgetragenes „Ave Maria“ oder das mißverstandene „So nimm denn meine Hände“: Hier begegnen wir – trotz liturgisch vermeintlicher Etabliertheit – einem Stil, der heute kaum noch junge Leute bewegt.
Und so ist es verständlich und nachvollziehbar, dass Klänge und Rhythmen unserer Zeit auf der Wunschliste stehen: Gospel, Spiritual, Rock, Pop…
Manchmal mache ich sehr deutlich darauf aufmerksam, dass der Gottesdienst doch bitte nicht ein Konzert werden sollte, in dem die Gemeinde zu einer stummen Zuhörerschaft degradiert sein wird. Das gemeinsame Singen gehört für uns Christen zu einem solchen Fest dazu!
Was einen Chor oder eingekaufte Solisten betrifft:
Ich möchte die Lieder und Texte kennen, die vorgetragen werden; es reicht mir nicht, dass jemand gehört hat, dass etwas da oder dort „sehr schön!“ war, oder dass dieser oder jener Chor dieses Lied aber mit Sicherheit „sooo schön und ergreifend“ vortragen wird.
Damit nicht obskure Liedwünsche im musikalischen Spielfeld zwischen „the rose“, „let it be“ und „killing me softly“ in eine Liturgie geschleust werden, mache ich mir die Mühe – gerade was die Lieder betrifft – selbst nach Neuem und Guten Ausschau zu halten. Und ich kann nur jedem Diakon, jedem Priester, pastoralen MitarbeiterInnen und den zuständigen KirchenmusikerInnen empfehlen, sich diesbezüglich von Zeit zu Zeit kundig zu machen!
Wir sollten für die Feier der Trauung gute musikalische Angebote machen können! Das ist Dienstleistung – Diakonie – im besten Sinn! Und in vielen Gemeinden gibt es Musikgruppen und Chöre, die mit ihrem Repertoire die Fähigkeiten und den Fundus der zuständigen KirchenmusikerInnen hilfreich ergänzen können.
Neue Geistliche Lieder
Ich bin froh, dass es seit den 60er Jahren Neue Geistliche Lieder gibt, die in aktueller Sprache und zeitgemäßer musikalischer Gestalt Glauben und Leben zusammenbringen. Hier zeigt sich, dass Kirche sich in einem – wenn auch langsamen – positiven Wandel befindet.
In der Weiterführung der alten Kirchenlieder sind Neue Geistliche Lieder eine „Legierung“ von heutiger Sprache und musikalischem Handwerk unserer Zeit. Spontan fallen mir direkt ein paar starke Lieder ein, die in wunderbarer Weise das Geheimnis der Liebe Gottes mit der Liebe unter den Menschen in Zusammenhang bringen: „Keinen Tag soll es geben“ (Seidel/Quast), „Von der Zärtlichkeit Gottes“ (Bücken/Quast), „Umfangen von der Liebe Gottes“ (Geiger/Haas) oder die Bitte um Gottes Segen für das Hochzeitspaar, die ich in dem Lied „Gott, du schufst den Menschen“ verarbeitet habe.
Zwischen Rigorismus und Beliebigkeit: eine Gratwanderung
Es ist mir wichtig, mit Paaren über Sinn und Zweck der jeweiligen Lieder für die Feier der Trauung zu sprechen. Ich mag Gospels und Spirituals, aber bitte nicht während des ganzen Gottesdienstes! Wenn ein Chor tolle und mitreißende Gospels singen kann, heißt das noch lange nicht, dass jedes dieser Lieder auch irgendwo im liturgischen Geschehen einen sinnvollen Platz haben kann.
Wenn z.B. nach einer bewegenden Trauungszeremonie eine Gospelgruppe schwungvoll daran erinnert, dass Josua bei Jericho eine Schlacht geschlagen hatte, oder dass man sich manchmal wie ein Kind ohne Mutter fühlt, macht das in meinen Augen wenig Sinn. Dann schon eher das beeindruckende Chanson von Reinhard Mey „Liebe ist alles“, die wunderbare Ballade „Ich hab‘ ein zärtliches Gefühl“ eines Herman van Veen oder „Das Beste“ von Silbermond.
Ich weiß, dass Priester manchmal vehement den Unterschied von liturgietauglicher und liturgiefremder Musik anmahnen. „Weltliches“ soll damit in einer gottesdienstlichen Feier vermieden oder besser verhindert werden.
Auf den ersten Blick klingt das schlüssig und vernünftig.
Aber worin ist die Zukunft der Welt mehr und dichter verantwortet als in der Liebe zweier Menschen, die diese Welt bereichern und gestalten und mit der Bitte um Gottes Segen ein öffentliches Bekenntnis ablegen? Ich sehe es als meine Pflicht an, die „Welt“ eines Paares und damit auch „Weltliches“ ernst zu nehmen, in die Feier zu integrieren, und ich halte es da eher mit dem Apostel Paulus: „Prüft alles und behaltet das Gute!“.
Und das heißt für mich: Wenn es Sinn macht, und gewünschte Lieder oder Songs auch praktisch umsetzbar sind, dann können sie helfen, einen Gottesdienst feierlich zu gestalten! Was soll uns daran hindern, mit sinnkräftigen und starken Liedern unserer Zeit das Geheimnis, die Tiefe und die Tatsache der menschlichen Liebe in Verbindung mit unserem Beten zum Ausdruck zu bringen?
Damit mich niemand falsch versteht: Die liturgische Feier der Trauung darf niemals zu einer Showbühne für irgendwelche Hits aus den Charts degeneriert werden!
Aber: das ein oder andere Lied – ob in deutscher, englischer oder lateinischer(!) Sprache – bewusst einzusetzen ist eine echte Bereicherung!
Gerade dann, wenn das Paar damit etwas Besonderes oder Persönliches verbindet, für sie diese Musik ein wirkliches Geschenk ist und ihr Herz anrührt und öffnet! Ich muss als Priester nicht alles verstehen und nachvollziehen können; ich heirate ja auch nicht!
Liturgie ist und bleibt eine Art „heiliges Spiel“, und ich habe lediglich darauf zu achten, dass sich bei der Choreographie niemand verirrt oder unzumutbare „Sprünge“ gefordert werden; ich habe darauf zu achten, dass „Heiliges“ nicht verniedlicht oder missachtet wird, und wo es schwierig wird, leiste ich durch eine verbindende Moderation behutsam „Hilfestellung“.
Zur Zeit erarbeiten wir für das Bistum Augsburg im Ak NGL eine neue Arbeitshilfe, in der alte und neue Lieder für die Feier der Trau-Liturgie vorgeschlagen werden: Mit Sicherheit wird das eine Fundgrube, die sich lohnt kennenzulernen.
Interessenten dürfen sich gerne an das Amt für Kirchenmusik (kirchenmusik@bistum-augsburg.de / Werner Zuber) wenden.
Zugehensweisen
Für die Vorbereitung und Gestaltung einer Liturgie für Paare kommt es in jedem Fall auf den Standpunkt an, den ich als Priester oder Diakon einnehme. Ich gehöre zu denen, die den besonderen persönlichen Charakter des Ehesakramentes (s.o.) wertschätzen, und so kann ich hier nur davon berichten, wie ich es damit halte und wie ich versuche, den Wünschen des Paares entgegen zu kommen. Dabei bin ich mir im Klaren darüber, dass Kollegen im Priesteramt meine Sichtweise so vielleicht nicht teilen werden oder wollen.
Ich fange einmal bei den „Selbstverständlichkeiten“ an:
Die Trauung hat ihren liturgischen Ort nach den Lesungen aus der Hl. Schrift und der Ansprache.
Die Texte zur Trauung sind die liturgisch festgelegten Wortlaute (und ich versuche immer, dem Paar begreiflich zu machen, dass die Form der gegenseitigen Zusage „Ich nehme dich an und verspreche dir die Treue …“ reicher und echter ist als die Vermählung durch das JA-Wort, wo Diakon oder Priester den beiden die Vermählung „vorsagen“)
Die anwesende Gemeinde sollte – auch wenn der Gottesdienst von Solisten, einer Gruppe oder einem Chor mitgestaltet wird – in jedem Fall mindestens 2 – 3 Lieder singen.
In einer Eucharistiefeier sollte von der ganzen Gemeinde das Heilig-Lied gesungen werden.
Gestaltungsmöglichkeiten
Die Frage, was nun alles liturgisch erlaubt sein kann, ist meines Erachtens schwer zu beantworten.
Wird eine Hl. Messe gefeiert, bin ich natürlich an Vorgaben gebunden. Und doch kann ich damit kreativ umgehen. Diesbezüglich gebe ich Paaren gerne Anregungen zum Nachdenken und Entscheiden mit nach Hause, die helfen können, eine Liturgie lebendig werden zu lassen. Hierzu ein paar Beispiele:
Kinder können eingeladen werden, bei dem Ja- Wort der Eheleute nach vorne zu kommen und eine brennende Kerze zu halten. Wenn sie „beim Heiraten helfen“ dürfen, ist es für sie eine besondere Ehre, und die kleine Kerze kann noch länger an das besondere Ereignis erinnern.
Eine eigens gestaltete Hochzeits-Kerze können Braut und Bräutigam nach der Trauung an der Osterkerze anzünden und auf den Altar stellen. Sie soll zu besonderen Anlässen und an Feiertagen der Familie zu Hause brennen und kann über viele Jahre den Gottesdienst zur Hochzeit in Erinnerung rufen.
Fürbitten können als „Geschenke“ bei Freunden und Angehörigen in Auftrag gegeben werden: das Anliegen benennen (z.B. für die gemeinsame Zukunft des Paares; für Verheiratete, die es schwer miteinander haben; für Frieden in der Welt; für die Verstorbenen der Familien; …), und die Überraschung/das Geschenk besteht in der vorgetragenen Bitte, wofür sich die Angesprochenen viele Gedanken gemacht haben.
Wenn die Kleidung (v.a. der Braut) es zulässt, ist es eine wunderbare Geste, wenn das Paar zum Friedensgruß zu Angehörigen und Freunden gehen kann.
Wenn die Feier der Eucharistie für Mann und Frau eine angenehme Selbstverständlichkeit ist, lade ich sie gerne ein, nach dem Friedensgruß zum Altar zu kommen, damit wir gemeinsam die Hl. Kommunion empfangen. Danach bringe ich der Gemeinde das Hl. Brot.
Zukunftsmusik
Die Feier der Trauung ist für jede Gemeinde und jeden Seelsorger sowohl eine Herausforderung als auch eine echte Chance. In keinem Gottesdienst treffe ich auf eine buntere Schar von Mitfeiernden. Wenn ein Hochzeitspaar sich bereits bei der Vorbereitung gut beraten und unterstützt weiß, und wenn wir gemeinsam dann ein Fest der Liebe feiern, in dem allen Beteiligten klar wird, welche Dimension und Tragweite ein lebendiger Glaube für eine gelebte Liebe hat, dann sehe ich darin beste Voraussetzungen, dass Glauben weitergelebt und weitergetragen wird. Es findet hier so etwas statt wie „emotionales Verstehen“! Und das hinterläßt Spuren in der „Welt“ dieses Paares – auch für die Zuversicht, in einer Kirche wirklich willkommen und beheimatet zu sein.
Dankbare und zufriedene Paare werden gerne ihre Kinder zur Kirche bringen, um sie zu taufen. Sie werden gerne ihre Kinder auf dem Weg des Glaubens begleiten, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass dieser Glaube die Welt umschließt, in der sie leben.
Gottesdienste müssen eben immer mehr sein als das Abarbeiten von Vorschriften oder rubrikentreue Kleinlichkeit! Sie sind im besten Sinn Tankstellen des Glaubens, die helfen, eine Gemeinde am Leben zu halten.
Paare und junge Familien sind die Zukunft der Kirche. Wenn wir es schaffen, das Heilige zu bewahren und ihre Vorstellungen und Ideale, ihre Kultur und ihr Empfinden, ihre Musik und ihre Sprache in die Welt des Glaubens herein zu lassen, dann leisten wir damit echte Missionsarbeit. Und als Texter und Komponist Neuer Geistlicher Lieder weiss ich:
Musik in unseren Gottesdiensten muss Zukunftsmusik für unsere Kirche sein!