Zwei Schlaglichter:
Die Toten Hosen
Ein (vielleicht zu jung gebliebener) Pater in der Nähe Biberachs rührte kräftig die Trommel:
Anlässlich einer ökumenischen Großveranstaltung seien die „Toten Hosen‘ eingeladen worden, die qualifiziert und ultimativ mit dem christlichen Glauben abrechnen würden. Leider hatte der Pater vorschnell seine Einladung gleichgesetzt mit einer vermeintlichen Zusage der Band. Die „Toten Hosen‘ reagierten sauer, fühlten sich vereinnahmt, sagten ab. Wieder eine Chance verspielt vor Glaubenden den Glauben kritisch zu hinterfragen?
Vor Nicht-Glaubenden den Glauben vorzuführen/ist keine große Kunst, das stell ich mir nicht besonders aufregend vor. Da geht die kritische Wirkung -flutsch- verloren. Und wenn es nicht mehr kritisch ist, nicht mehr prophetisch, dann ist es halt allenfalls ein Ritual, zur gegenseitigen Selbstbestätigung:
„Ätsch, wir glauben nix‘-Amen, Applaus. Der Unglaube wird dann mehr oder weniger nur noch „zelebriert‘. Ich stell mir nun unabhängig vom erwähnten Anlass die Frage, was die Toten Hosen eigentlich wollen (können): Glaubende kritisieren oder den eigenen Unglauben zelebrieren? Und umgekehrt frage ich zurück: was machen wir „Glaubende‘ im Gottesdienst: kritisieren wir den Unglauben der (von manchen als böse verschrieenen) Welt oder „zelebrieren‘ wir unseren Glauben (oder vielleicht nur uns selbst?).
Der Tod von Heinrich Rohr
Er prägte in ganz besonderem Maße das katholische Gesangbuch „Gotteslob‘: Heinrich Rohr. Im Dezember letzten Jahres ist er gestorben. In der Todesanzeige, die Bischof Lehmann in der Mainzer Kirchenzeitung aufgesetzt hatte, stand quasi als Zusammenfassung der Persönlichkeits Rohrs folgendes Zitat von Papst Pius X.: Die Gemeinde singt nicht im Gottesdienst, sondern sie singt den Gottesdienst.
Ob der eigentlich nicht sehr progressive Papst Pius X. wirklich ahnte, dass er damit langfristig allen Schubert- und Mozartmessen den Garaus machen würde, sei dahingestellt. Aber er hat vorausgedacht, was wir fast 100 Jahre später endlich einlösen müssen.
Gemeinde-Gottesdienst
Erstens: zum Gottesdienst gehört nicht nur der Priester, sondern die Gemeinde (mit einem Vorsteher). Und die Gemeinde ist nicht Publikum, sondern macht aktiv mit. Und was macht sie mit? Sie singt.
0 Gott, werden jetzt manche sagen. Aber warum soll man plötzlich in einem Gottesdienst singen? Man könnte doch auch einfach nur dasitzen und vor sich hintrielen, sinnieren, Rosenkranz beten und gelegentlich„Amen‘ röcheln. Aber wer glaubt uns dann, dass wir gerade dabei sind, uns über Gottes Wohltaten zu freuen?
Gottesdienste sind in ihrem innersten Wesen „Feiern‘ (Leider oft noch eher „Schön-wär’s‘-Feiern) . Und was eine Feier ist, muss man wohl nicht erklären, und dass auf einer gescheiten Feier auch musiziert und gesungen wird, versteht sich von selbst.
Manchmal feiern wir…
Das lateinische Wort für Feier finden wir in dem Lehnwort:
„Zelebration‘, „zelebrieren‘. Haben wir doch heute schon einmal wo gehört. Achja, die Toten Hosen. Ja, und?
Also: Gottesdienste sind Veranstaltungen, in denen wir uns gegenseitig über unseren Glauben informieren und durch die Musik lockern wir die regelmäßig zu langgeratenden Gesprächspassagen auf. Oder:
Gottesdienste sind Feiern, in denen wir miteinander unsere Lebensgeschichte mit ihren Höhen und Tiefen vor Gott tragen, wie ein vierstimmiger Chor in unterschiedlichen Stimm- bzw. Lebenslagen. Wir singen von Gott für uns Menschen und von uns Menschen für Gott. Wir zelebrieren unsere Erfahrungen, unsere Lebensgeschichte mit Gott mit Gott (Kein Druckfehler, sondern doppelte Bedeutung).
Ein gesungenes (ein fetziges, ein gerecktes, ein spontanes, ein jauchzendes) „Halleluja‘ -die ehrliche Variante eines vom Messbuch abgelesenen und mit erstickter Stimme im monotonen Unisono einer in der Ruhe gestörten Gemeinde herausgepressten „Hällöluja‘.
Ein gesungenes, mitgeklatschtes, womöglich getanztes Halleluja („Lobet Gott‘) ist einfach „erhebender‘. Beim Singen werden unsere Anliegen besser aufgehoben, weil mit der Musik eben nicht nur das Wortempfangsorgan angesprochen wird, sondern weil in der Musik viele Saiten eines Menschen zum Klingen gebracht werden. Da kommt viel mehr zum Mitschwingen. Gottesdienst-Musik ist nicht eine Informations-Sendung, mit der erklärt wird, sondern eine Feier, in der erzählt wird.
Wen interessiert’s?
Zunächst einmal ist das wichtig, um zu verstehen, warum Mozartmessen so einen großen Reiz ausüben. Wenn ihr Mozartmessen mitsingt, werdet ihr schnell merken, wie ungeheuer spannend ein Mozart erzählen lässt. Aber warum Mozart? Wir wollen Neues Geistiches Lied! Und Mozart hat kein einziges Kirchenlied geschrieben. Also keine Vergleiche von Äpfel und Birnen! Oder so.
Glaubensfrage Gottesdienst
Dann aber bitteschön auch keine Gottesdienstfeiern, in denen mit dem Glaube qualifiziert und ultimativ ab- oder aufgerechnet wird. In unseren Gottesdiensten wird selbstverständlich vorausgesetzt, dass wir glauben (auch wenn wir wissen, dass manche Gottesdienstbesucher wenig glauben, oder nur die Hälfte, oder nur dem Papst). Nichts langweiliger als sich jeden Tag die eigenen Voraussetzung neu zu erklären: „ich muss essen, weil ich sonst verhungere‘, „Natürlich liebe ich dich Schatz! Was hat das mit dem Fernseher zu tun?‘. . So macht das Leben keinen Spaß.
Also nochmal: Wer in einem Gottesdienst mitfeiert, geht davon aus, dass geglaubt wird und dass alle im Großen und Ganzen dasselbe (oder zumindest das Gleiche) glauben. Und auf dieser Basis geht dann die Post (oder wenigsten ein paar Himmelsbotschaften) ab: nämlich das Feiern (Dankbarkeit, herrlich! Oder: eine leckere Versöhnung! Wow! Oder: Sie hat mich gefragt und ich hab um himmelswillen jaaaa gesagt. Die nachlassenden Rückenschmerzen, seit der Nachbar weggezogen ist. Himmel sei Dank!!! Oder: jenes aufmunternde Wort neulich: Genuss pur! Das muss ich dem Himmel einfach nochmals gesagt haben …). Bei Gelegenheit werde ich auch noch erläutern, dass Feiern nicht nur Rambazamba sein muss, sondern auch kultiviert von statten gehen kann.
Gemeinde ist keine Kulisse
Aber warum diese Bergpredigt unter der Überschrift „Stimmbildung‘? Weil sich die NGL-er vor jeder Veranstaltung auch bewusst machen müssen, was sie in welchem Zusammenhang tun. Unter welcher Etikette treten sie an und mit welchen Texten warten sie auf. Wenn eine Band einen Jugendgottesdienst ankündigt und dann vor lauter netten alten Leuten Lieder singt, in denen den alten Leuten erklärt wird, was Glaube heißt, und wie man Glaube in das Leben umsetzt, und dass der Glaube Hand und Fuß kriegen muss, dann wird’s schnell peinlich, stimmt’s nicht.. Kritische Selbstreflektion (um den eigenen Standort in der etwas verkomplizierten Kirche zu finden) ist gut, aber es muss ja nicht auf Kosten der Alten gehen (war nicht christlich). Macht in den Gottesdiensten die Gemeinde nicht zu eurem Publikum! Oder zur Kulisse!. Aber macht das überhaupt wer?
Zusammenfassung
Ich finde gut, dass die Toten Hosen sich treu geblieben sind. Da könnte vielleicht der etwas zu jung gebliebene Pfarrer bei Biberach noch was lernen.
Bleibt auch ihr euch und eurer Gemeinde treu, wenn ihr in ihr oder mit ihr oder für sie Neue Geistliche Lieder singt. Je nach Anlass. Wenn ihr für den Glauben werben wollt oder ihn erklären wollt: dann macht ein Konzert. Wenn ihr Grund zum Feiern habt: dann kauft Blumenschmuck und gestaltet die Gottesdienstfeier mit.
P.S.: Wenn ihr für den Glauben werben wollt, solltet ihr ihn aber auch schon selbst einmal als Genuss empfunden haben und nicht als ein Mittel zur Abgrenzung oder Identitätsdarstellung. Ich selber werbe nicht, ich erzähle lieber (und versuche abzuwarten, bis mich jemand danach gefragt hat).
Auch zu diesem Thema sind wieder Leserbriefe willkommen.