Ein Porträt in 3 Mosaiksteinchen und einem Segenslied.
Von Oskar Gottlieb Blarr, Thomas Quast und Peter Hahnen
Uwe Seidel gestorben.
Der Ideengeber
Aus:
Der rheinische Liederfrühling
Uwe Seidel, dem Anreger, Macher, Vorreiter und Mitstreiter.
Von Oskar Gottlieb Blarr
[…] Den Leuten der Geburtsstunde des rheinischen Liederfrühlings hatte sich bald Uwe Seidel zugesellt. Als ich ihn kennenlernte war er Pastor im Volksmissionarischen
Amt. Und da er die Wirksamkeit neuer Lieder erlebt hatte, setze er dieses Medium immer mehr und mehr in seinen Veranstaltungen ein. Bald gaben wir im Bosse-Verlag Liederhefte heraus, er, ich und die poetisch tätige Pfarrfrau Christine Heuser:
1967 erschien das Heft „Neue Geistliche Lieder“, unsere Erfolgsnummer, erreichte Auflage: 120.000 Exemplare! […]
Uwe Seidel wurde 1970 Pfarrer der Thomaskirche in Düsseldorf. Dort formierte sich um ihn schnell der Oekumenische Arbeitskreis Altstadt. Dieser Kreis zeichnete verantwortlich für die oekumenischen Beatmessen in der Bergerkirche […] [da] war ich in der Regel mit „Oscars Churchtett“ oder „Oscars Kirchenmäusen“ dabei. ][…] Mehr als die Hälfte meiner neuen Gemeindelieder entstand bis 1981 und war für diese „beatmessen“ bestimmt. Es ist nicht uninteressant, daran zu erinnern, welche Leute im Kontext [meiner] Plattenproduktionen auftauchten: zum Beispiel […]
der wunderbare Blues-Sänger Bill Ramsey, der Autor und Redakteur im Jugenddienst-Verlag Arnim Juhre und last not least Ernesto Cardenal, dessen Psalmen „Zerschneide den Stacheldraht“ einen Meilenstein im Bereich der neuen Texte bedeuten. […]
Schon in Uwes Düsseldorfer Zeit wuchs die zweite Generation der Texter und Melodisten heran: Eckart Bücken, der sehr fruchtbare Hans-Jürgen Netz und der hochbegabte Musiker Christoph Lehmann, dessen Gloria-Lied „Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt“ in kaum einem Gesangbuch heute fehlt.
Uwe Seidel war immer so etwas wie ein Anreger, Antreiber und nimmermüder Projektleiter.
Als er und der oekumenische Arbeitskreis nach Köln an die Johanneskirche in Klettenberg umzogen, wurde es still um die neuen Gottesdienste in Düsseldorf.
Der tvd-Verlag – eine äußerst erfolgreiche Gründung von Uwe Seidel – behielt zwar seinen Sitz in Düsseldorf, aber die kreative Zentrale war nach Köln gewandert.
Gelegentlich besuchte ich die beatmessen dort, wo inzwischen die dritte Generation der Liedermacher am Werke war, mit der Musikgruppe RUHAMA, geleitet von Thomas Quast. In Köln fand Uwe einen neuen richtigen Freund: Hanns-Dieter Hüsch, den großen Kabarettisten, der […] ein Jesus-Fan und begabter Prediger ist. […]
Aus:
„Ich bin vergnügt, erlöst, befreit . . .“
Von Thomas Quast
[…] Beim 86. Deutschen Katholikentag in Berlin geriet ich im Juni 1980 in Dahlem in meine erste Beatmesse. Der evangelische Pastor Uwe Seidel gemeinsam mit dem Dominikanerpater Diethard Zils als liturgische Leiter, die Kirche rappelvoll, verdichtete Atmosphäre, Kampf für Gerechtigkeit und Frieden (in Nicaragua hatten die Sandinistas Somoza vertrieben), neue Lieder. […]
Am 29. Juni 1986 musizierte Ruhama erstmals in der Johanneskirche in Köln-Klettenberg, an der Uwe seit 1985 Pfarrer war und die fortan zu unserem Zuhause werden sollte. […] Mit Uwe entwickelte sich eine tiefe Zusammenarbeit und Freundschaft. Beim 89. Deutschen Katholikentag in Aachen […] hatten wir dann unsere erste gemeinsame Lateinamerikanische Beatmesse. Uwe mit dem Dominikanerpater Paulus Engelhard […] als liturgische Leiter, als Predigerin Dorothee Sölle, die Kirche rappelvoll, verdichtete
Atmosphäre, Kampf für Gerechtigkeit und Frieden (die Contras, unterstützt von den USA, wollten in Nicaragua die alten Zustände wieder herstellen),
„Dein Reich komme“.
[…]
War ich in den 70-er Jahren und Anfang der 80-er noch als Teilnehmer [beim Ökumenischen Jugendkreuzweg], so fand ich mich plötzlich bei den Vorbereitern und Gestaltern dieses bundesweit einzigartigen Projektes. Uwe und andere kreative Köpfe trafen sich mehrmals im Jahr, […] und bereiteten den nächsten Jugendkreuzweg vor. […] Ich erinnere mich, wie Uwe Anfang Dezember 1987 auf meinem Geburtstag anrief und sagte, es werde noch ein Kyrie- Ruf gebraucht, der während des Kreuzweges bei den einzelnen Stationen gesungen werden könnte. Einige Tage später waren wir mit diesem zwischenzeitlich komponierten Ruf zur Aufnahme im Tonstudio.
[Thomas Quast berichtet dann noch im Kontext der Kirchentage vom Veranstaltungsprofil des Lateinamerikatages und vom Liturgischen Fest am Samstagabend; Anm. d. Red.]
[…]
Uwe hatte immer wieder neue Ideen – und den Mut, sie zu realisieren. Zum Beispiel beim Ruhrgebiets- Kirchentag 1991, als wir es beim Liturgischen Fest in der Dortmunder Westfalenhalle mit 15000 Besuchern wagten, beim Friedenszeichen einander mit Fingerspitzengefühl die Sorgen zu nehmen, sozusagen zu „entsorgen“, den anderen und die andere mit Öl zu salben und so einander ein Segen zu sein. Dazu musizierten wir [das Lied] „Von der Zärtlichkeit Gottes“.
[…]
Uwes Herz [schlug] immer besonders für die Menschen Lateinamerikas. Er lebte aus und von den Erfahrungen, die er in Lateinamerika, speziell in Nicaragua, gemacht hatte. Die Spiritualität der Latinos und Latinas, im Angesicht des Todes vom Leben zu erzählen und Kreuze mit Blumen zu schmücken, die von der Hoffnung künden, das war sein Thema. […]
Über die Jahre entstanden, von Uwe angeregt, „in Auftrag“ gegeben, kritisch begleitet und in ihrer textlichen und musikalischen Endgestalt beeinflusst, zahlreiche Lieder. […]
Gelegentlich dichtete Uwe […] selbst Liedtexte, brachte er seelsorgerische, konzeptionelle und situative Anliegen in die wenigen Zeilen eines Gemeindeliedes.
Ein Herzensanliegen war es ihm immer, die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes erfahrbar zu machen, einander den Segen Gottes „mit Herzen, Mund und Händen“ weiter zu geben. So verdichtete er 1995 einen seiner ältesten (Segens-) Wunschtexte und brachte ihn in ein gemeindeliedfreundliches Versmaß: „Keinen Tag soll es geben“. […]
mit freundlicher Genehmigung des tvd-verlages
Aus:
Gesungene Reform?
Zum (ehemaligen?) Programm des NGL
Von Peter Hahnen (gehalten bei der Überdiözesanen Bundesfachtagung NGL,
8. – 10. Feb. 2008 in Vierzehnheiligen)
[…]
Erstes Thema auf dem [II. Vat.] Konzil war die Reform des Gottesdienstes, der fortan die verständige Mitwirkung der Gemeinde anstrebte, also Volkssprache, Zeichenklarheit und verständige Mitfeier (participatio actuosa) zum Ziel hatte.
Auch die Erfahrung von weltweiter Gemeinschaft und Verantwortung rückte durch das Konzil stärker ins Bewusstsein. […]
So war die gottesdienstliche Reform vielfach nicht zu trennen von einer grundsätzlichen theologischen Infragestellung und Selbstvergewisserung. […]
Christ-Sein, Kirche-Sein wurde begriffen als Aufgabe, als Prozess der Selbst- und Weltverantwortung. Glaube wurde zum „Projekt“ (Dorothee Sölle).
Eine wesentliche Rolle für geschriebene Theologie und gesungene Theologie kam hierbei dem Priester Ernesto Cardenal zu […]
Und auch Uwe Seidel ist hier zu nennen. Der […] evangelische Pastor, Ideengeber, Ermutiger, Geburtshelfer, der damals in Düsseldorf (später Köln) und bei unzähligen Kirchentagen mit dem Lateinamerikatag und den Beatmessen erlebbar werden ließ, dass Christentum mit uns heute, mit Gesellschaft, Welt, Verantwortung zu tun hat.
[…]
Die Lieder waren manches Mal vertonte „Befreiungstheologie“ für hier und heute; appellierten aber nicht nur an kirchliche Hierarchien sondern nahmen die Sänger selbst in die Pflicht. Kein Werbetrick also zur Rekrutierung neuer Kirchgänger, sondern gesungene „Theologie des Volkes“, fast schon mit „hochgereckter Faust“ gesungen.
[…]
mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
Ein Porträt in 3 Mosaiksteinchen und einem Segenslied im Kontext der Texte Blarr und Quast
Der Abdruck erfolgte mit freundlicher Genehmigung des tvd-Verlages.
Entnommen aus der Publikation anlässlich des 70. Geburtstages:
„Uwe Seidel“; hrsg. von Ökumenischer Arbeitskreis Köln (u.a.), tvd-verlag, Düsseldorf 2007.
Das Buch ist eine enorm wichtige Quelle für alle, die sich mit der Geschichte des NGL’s in Seminar- und Diplomarbeiten beschäftigen möchten. Die Artikel sind persönlich gehalten, ansprechend, gut leserlich. Es wird deutlich, wie der „rheinische“ Liederfrühling „tickte“, inspirierte und unsere Gottesdienste bis weit nach Tirol hinein prägte.
Das Buch kann bestellt werden
bei tvd-verlag, Postfach 321111, 40426 Düsseldorf. oder unter:
http://www.tvd-verlag.de.
Uwe Seidel
Gott, segne die Erde
Gott, segne die Erde,
auf der ich lebe,
segne den Weg,
auf dem ich steh,
segne all das,
was ich erlebe,
segne das Ziel
zu dem ich geh.
Gott, segne die Lieben,
die mich begleiten,
segne den Mund,
der zu mir spricht,
segne die Zeit
für Kleinigkeiten,
segne mein Herz
mit Zuversicht.
Gott, segne die Sonne,
den Mond und die Sterne,
segne den Tag
und auch die Nacht.
Segne den Freund
in weiter Ferne,
segne all das,
was Freude macht.
mit freundlicher Genehmigung des tvd-verlages