Oder – präziser, wenn ich sehe, wozu ich einige Zeilen schreiben möchte –
wie kommt der Text zur Musik und wie tritt ein Lied ins Leben?
Auf diese Frage gibt es manche Antworten.
Erstens: Es ist immer wieder anders.
Zweitens: Und doch nicht so ganz verschieden.
Drittens: Es gibt keine feste Rezeptur, aber Geschichten, Lebens-Geschichten, die ich erzählen kann.
Also folgen drei Geschichten, wie drei Lieder entstanden sind.
Leben ist ein Geschenk
Vom 28. Mai bis 1. Juni 2003 fand in Berlin der Ökumenische Kirchentag (ÖKT) statt. Über eine Freundin, die beim Bundesverband von donum vitae (www.donumvitae.org) arbeitete, hatten wir uns verabredet, dass donum vitae und Ruhama beim ÖKT eine gemeinsame Veranstaltung durchführen wollten.
Ruhama, die Kölner Musikgruppe, bei der Thomas Laubach und ich seit langen Jahren mitmusizieren; donum vitae, der 1999/2000 von katholischen Laien gegründete Verband, der „Beratung mit Schein“ in Schwangeren-Konfliktlagen anbietet, nachdem die katholische Amtskirche auf Weisung aus Rom aus dieser Beratung ausgestiegen war.
Gesucht – und bis dahin noch nicht gefunden – wurde ein Lied, welches das Anliegen positiv und mit frischem Schwung transportiert, ohne zu seicht daher zu kommen. Es war Mitte März 2003, als ich Thomas Laubach am Telefon von dieser Suche erzählte.
Ein oder zwei Wochen später lag Thomas‘ Text auf meinem Fax. „donum vitae“ (lateinisch f. „Geschenk des Lebens“) gab den „Kopf“, die Erkennungszeile „Leben ist ein Geschenk“; der ganze Text erzählte davon, dass Leben von Anfang an „mehr“ ist. Ich erinnere mich, wie ich den Text vor mich hin sprach, schnell den Rhythmus und die Melodie im Kopf hatte. Am Klavier hatte ich Harmonien und Melodie ein paar Minuten später fertig. Das Lied war geboren, ins Leben getreten, ein Geschenk. Einige Tage später, am Telefon (Thomas Laubach wohnt und arbeitet in Tübingen, ich in Köln) habe ich Thomas das Lied dann vorgespielt: „ Thomas, was meinst du, könnte das so gehen?“ Nach einem freundlichen „Ja, das hört sich doch ganz gut an“ habe ich mich dann an den Computer gesetzt, mein Notensatz-Programm aktiviert, Melodie, Harmonie-Bezeichnungen und den Text eingegeben, den Ausdruck nochmals musiziert: „Ja, das passt“.
Nachdem der Einfall, die Idee für Melodie, harmonische Führung und rhythmische Gestaltung erst mal da ist, geht es eher ums „Handwerk“: Meistens einen Chorsatz, bei Bedarf Instrumentalstimmen (Vor-, Zwischen- und Nachspiele, Bläserstimmen, Klaviersatz) schreiben. Sie entstehen in der Regel, wenn der konkrete Anlass hierfür ansteht. Bei „Leben ist ein Geschenk“ war klar, dass ein Chorsatz dazu gehört; der zweistimmige Bläsersatz (Trompete, Saxophon) entstand im Herbst 2003 kurz vor unserem alljährlichen Jahreskonzert, ein Klaviersatz kam zur ersten Partiturveröffentlichung dazu. Für unsere aktuelle CD „Leben“ schließlich wurde aus dem zweistimmigen ein dreistimmiger Bläsersatz (plus Posaune).
Anzuhören auf unserer CD „Leben“. Einen Höreindruck gibt es unter http://www.ruhama.de/audio .
Noten finden sich im Ruhama-Chorbuch
(www.ruhama.de/discographie/chorbuch) .
Kinderfragen
Am frühen Vormittag des 6. Mai 2004 (es mag 9.32 Uhr gewesen sein) sitze ich Zuhause über Akten an meinem Schreibtisch, als das Fax-Gerät zu arbeiten beginnt. Heraus kommt ein DIN A4-Blatt, geschickt von meinem Freund, dem evangelischen Pfarrer Uwe Seidel [der zum Beispiel auch den Text zum Lied „Keinen Tag soll es geben“ geschrieben hat]. Auf dem Blatt lese ich den Text von „Kinderfragen“.
Dieser Text, von Uwe nach einem Gedicht von Wolfgang Borchert verfasst, spricht mich so an, dass ich die Akten Akten sein lasse und mich nach rechts wende, wo mein E-Piano steht. Und denke daran, dass am 6. Mai nicht nur „mein“ Patensohn Christoph Geburtstag hat, sondern auch der liebe Mitmensch, Freund und Kabarettist Hanns Dieter Hüsch. Hanns Dieter ist schon geraume Zeit krank und bettlägerig, er wird an diesem 6. Mai 79 Jahre alt. – Knapp zehn Minuten später rufe ich Uwe an, wir begrüßen einander, er fragt, ob ich sein Fax bekommen habe. Ich sage „Ja; soll ich dir das Lied mal vorspielen?“ – Uwe: „Wie? Den Text vorlesen?“ – „Nein, mit der Musik mal vorspielen.“ Uwe ist erst etwas überrascht, fast verdattert, dann spiele ich ihm das Lied vor: Eine kleine Melodie mit schlichter Harmonik in klarer Strophenform – passend zu den Elementarfragen der Kinder und zu Hanns Dieters Erkenntnis „Wir alle bleiben Gottes Kind, auch wenn wir schon erwachsen sind“ (einer Textzeile aus unserem Lied „In Gottes Hand“). Und ein Versuch, die Selbstverständlichkeit zu verstehen: Dass Gott den Fischen das Schwimmen und den Menschen das Lachen und die Liebe beibringt – „damit sie auch was haben“.
Kinderfragen – auch auf unserer aktuellen CD „Leben“.
Einen Höreindruck gibt es auch hier unter http://www.ruhama.de/audio.
Die Noten stehen unter http://www.ruhama.de zum Download bereit.
Du kommst zu uns
Unser Katholikentagslied des Katholikentages in Saarbrücken schließlich hat keine so markante Geschichte. Aber zwei Besonderheiten gibt es schon:
Als Thomas Laubach mir Anfang September 2005 den Text zugeschickt hatte und ich den Text las, hatte ich direkt eine Melodie und Harmonien im Ohr; diese trug ich schon länger mit mir herum, wartete eigentlich nur darauf, dass endlich der Text vorbei kommt, auf den diese Musik passt:
mit Sehnsucht im Bauch, den Alltag fest im Blick, mit einem freundlichen Summen und hymnisch schwebend.
Und es gibt eine Korrespondenz, die nicht so ganz zufällig ist, zu „Leben ist ein Geschenk“: Die Harmonik der beiden Refrains , das Tempo (die Halben = 66 entsprechen den Vierteln = 132), der Einstieg der Melodie zu Beginn der Refrains auf der Terz, in der Mitte des Lebensdreiklangs …
„Du kommst zu uns“ ist immer noch ein Lied im Werden: Es gibt Text, Harmonien, Chorsatz, Klaviersatz.
Zur Zeit entsteht eine „extended version“, bei der Bläser und E-Gitarre einen instrumentalen Improvisationsteil entwickeln.
Was es schon gibt, steht zum Download (Noten, mp3-Datei zum Hören) unter http://www.ruhama.de und
http://www.katholikentag.de/programm/katholikentagslied bereit.